Bisher kommen keine Hilfen bei Friseurbetrieben an
»Wir wollen einfach wieder arbeiten können«
Landkreis Konstanz. Seit dem 16. Dezember 2020 sind deutschlandweit rund 80.000 Friseursalons geschlossen und vielen geht langsam das Licht aus. Mit der Aktion ‚Licht an’ haben Friseure am Wochenende bundesweit auf die dramatische Situation innerhalb der Branche aufmerksam gemacht und die unausweichliche Wiedereröffnung ab dem 15. Februar gefordert. Es geht um Existenzen und eine Branche, die über 200.000 Menschen beschäftigt und Ausbildungsplätze schafft. Viele Unternehmen stehen vor der Insolvenz, da die bislang versprochenen Hilfen seitens der Regierung nicht ausbezahlt wurden und sogar teilweise nicht zum Antrag freigeschaltet sind. »Wir dürfen nicht nur an die Unternehmer denken, sondern auch an die vielen Angestellten im Beruf, die jetzt nur einen Bruchteil dessen bekommen, was sie sonst verdienen. In solch einer Situation floriert natürlich die Schwarzarbeit umso mehr. Eine angestellte Friseurin/ein eingestellter Friseur, die/der auf das Einkommen angewiesen und vielleicht auch Alleinverdiener/in ist, wird dazu gezwungen, ‚nebenher’ Geld zu verdienen. Außerdem steht für viele die Angst im Raum ihre Kunden zu verlieren, weil sich diese die Haare Zuhause schneiden und färben lassen«, erklärt der Singener Friseur Önder Tekik und betont: »Ich verteidige hier weder die Schwarzarbeit noch die gesundheitlichen und beruflichen Risiken, die bei vermehrten Hausbesuchen entstehen. Es ist eher eine Kritik an der Politik. Die Menschen – die Ihre Arbeit mit Herzblut betreiben und Arbeitsplätze schaffen, die ihre Steuern brav pünktlich bezahlen, die in die Zukunft vertrauen – haben das Vertrauen in die Politik verloren. Sie sehen sich alleine gelassen«, macht Tekik deutlich.
Mehr als ein Haarschnitt
Die Friseure hätten mit viel Aufwand und Sorgfalt die Auflagen erfüllt, Geld in die Hand genommen und Hygienekonzepte umgesetzt, damit Kunden und Mitarbeiter geschützt sind. »Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Jetzt ist die Politik an der Reihe«, so Tekik. Es gehe hier nicht nur um das Schneiden und Färben von Haaren. Friseure seien eine Berufsgruppe, welche die Gesellschaft nicht nur für ihr Aussehen braucht. Seit jeher drücken die Menschen durch ihre Frisur und ihren Look ihre Kultur, Zugehörigkeit, Identifikation oder ihre politischen Statements aus. »Nimmt man uns diese Möglichkeiten des Ausdrucks, nimmt man uns einen Teil unserer Persönlichkeit. Das Image unseres Berufs leidet derzeit sehr stark und die Wertschätzung liegt momentan tiefer denn je. Die Ausbildungsplätze, die zur Verfügung stehen, bleiben Großteils unbesetzt. Junge Menschen wollen keinen handwerklichen Beruf erlernen, in den sie vielseitige Fähigkeiten mitbringen müssen und dennoch wenig Lohn erhalten«, ist sich Önder Tekik sicher. »Ich wünsche mir, und hier spreche ich für viele meiner Berufskolleginnen und -kollegen, dass seitens der Kammern und Verbände, politisch und sozial, mehr unternommen wird. Das die ‚Meisterhaftigkeit’ wieder in unseren Beruf zurückkehrt. Es gibt in Deutschland mittlerweile viel zu viele Lizenzen zum sogenannten ‚Haare kürzen’. Diese Lizenz unterscheidet sich weit vom ‚Haare schneiden. Die Meisterhaftigkeit für unseren Beruf bleibt auf der Strecke und wird von einer, nicht ausreichend qualifizierten ‚Haarekürzern’ unterwandert. Solange sich Wertigkeit nur auf den Preis unserer Leistung bezieht und unser Beruf seine Wertschätzung nicht zurückbekommt, werden uns nicht nur die Folgen einer Pandemie zum Verhängnis, sondern auch die subtile Unterwanderung unseres Wertesystems« betont Önder Tekik.
Lichter an bevor sie aus gehen
Auch Nadia und Frenci Antonucci werden in Gottmadingen haben das Licht symbolisch angemacht. Sie haben erst im Juli letzten Jahres ihren neuen Salon in Gottmadingen im „Brick“ eröffnet und gerade schon deswegen die ganzen Hygienevorgaben nach dem ersten Lockdown bereits umgesetzt bei acht Bedienungsplätzen auf 160 Quadratmetern. »Besser kann man das eigentlich gar nicht umsetzen«, sagt Frenci Antonucci. Ihnen geht es auch weniger um die Hilfen, auf die die meisten ohnehin noch warten trotz laufender Fixkosten: sie wollen einfach wieder arbeiten und für die Kunden da sein, wie sie gegenüber Wochenblatt-TV erklärten. Das wäre für sie beste Chance wieder ins Lot zu kommen.
Im ersten Lockdown kamen die Hilfen
Seit dem 16. Dezember ist auch das Friseurgeschäft von Marilena Mangili in Böhringen geschlossen. »Ich verstehe den Ernst der Lage und habe großes Verständnis für die Maßnahmen, die notwendig sind, um die Pandemie wieder in den Griff zu bekommen«, betont die Friseurmeisterin. Trotzdem ist es ein schwerer Schlag, denn von den versprochenen Staatshilfen, die immer groß angekündigt worden sind, ist bisher noch nichts angekommen«, berichtet sie im Gespräch mit dem Wochenblatt. »Wenn jetzt die Hilfen noch immer nicht ausbezahlt werden, dann werden wir schon bald das große Friseursterben erleben«, ist sich Mangili sicher. Sie selbst musste inzwischen schon ihr gesamtes Erspartes in ihren Friseursalon stecken, um weiterhin die laufenden Kosten decken zu können. Die Miete für das Geschäft bezahlt sie dabei regulär weiter und stockt auch das Kurzarbeitergeld ihrer Mitarbeiterinnen auf. »Ich möchte auf keinen Fall jammern denn letztendlich gehört so etwas auch ein Stück weit zu unternehmerischen Risiko«, betont sie. Gleichzeitig fehlt ihr jedoch das Verständnis dafür, dass die Auszahlung der angekündigten Hilfen so schleppend läuft. Es kann noch nicht beantragt werden, da es noch keine Formulare dazu gibt. Im ersten Lockdown habe das deutlich schneller und unbürokratischer geklappt.
Schwarzarbeit ist ein Problem
Ein anderer Punkt, der Mangili auch in ihrer Eigenschaft als Vorstandsmitglied der Friseurinnung im Landkreis Konstanz Sorge bereitet, ist die Tatsache, dass manche ihrer Kolleginnen und Kollegen im Moment schwarz arbeiten. »Das ist schlecht, weil wir so erstens die Pandemie nicht in den Griff bekommen und zweitens, weil so Geld am Staat vorbeigeht, dass auch dringend benötigt wird, um die Hilfsprogramme zu finanzieren«, sagt sie. Auch sie selbst habe entsprechende Anfragen von Kunden bekommen, aber abgelehnt. »Ich schneide nicht mal den Leuten aus meiner Familie die Haare. Für mich ist das ein Zeichen der Solidarität mit all denen, die im Moment keine Chance haben, zum Friseur zu gehen. Wir sind solidarisch zu unseren Kunden«, betont Mangili. Immerhin, ihre Auszubildende versucht die Friseurmeisterin in diesen Zeiten weiterhin möglichst gut zu betreuen. »Wir treffen uns zweimal die Woche im Salon und arbeiten dann unter größtmöglichen Sicherheits- und Hygienemaßnahmen an Übungsköpfen. Wir versuchen das zu machen, was wir können, damit jetzt nicht zu viel Ausbildungszeit verloren geht«, erklärt sie gegenüber dem Wochenblatt. Der größte Wunsch, den Marilena Mangili im Moment für ihr Geschäft, aber auch für ihre Berufskolleginnen und Kollegen hat ist, dass die versprochenen Staatshilfen nun endlich so schnell und unbürokratisch wie möglich ausgezahlt werden, um Insolvenzen zu verhindern.
- Dominique Hahn
Autor:Redaktion aus Singen |
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