Fragen zur Landtagswahl an die Kandidaten aus dem Wahlkreis Konstanz-Radolfzell
Wie lange geht die »Corona-Delle?«
Konstanz/Radolfzell. „Es ist immer einfach, einen Motor herunterzufahren, aber viel schwerer, ihn wieder auf Touren zu bringen”, sagte Prof. Claudius Marx, als im letzten März viele Bereiche der Wirtschaft dichtmachen mussten und die Grenze zu Schweiz geschlossen wurde. Und damit hat er recht. Inzwischen gibt es einen zweiten Lockdown, der noch viel länger andauert und noch gravierendere Folgen haben dürfte, denn die globale Weltwirtschaft ist durch Lieferketten so ineinander verstrickt, was viele Lücken riss. Bei der Verabschiedung des Landeshaushalts vor dem Jahreswechsel wurde klar gemacht, dass das Land bis 2043 braucht, um das Geld für die ganzen Rettungsschirme zurückzuzahlen, von denen jetzt ja weitere dazugekommen sind. Auch zum Beispiel im Vereinsleben wird prognostiziert, dass es mehrere Jahre brauchen wird, um hier das Miteinander von vorher zu erreichen, um nur einige Beispiele zu nennen. Was wird die Politik darauf als Antwort geben, war eine Frage, die das Wochenblatt von den Kandidaten der sechs größten Parteien beantwortet haben wollte.
Unsere Frage: Wie lange glauben Sie, wird die „Corona-Delle“ unser Leben beeinflussen? Und wo genau müssen die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft Ihrer Meinung nach für eine langfristige Perspektive verändert werden?
Die Antworten:
Antje Behler (Die LINKE): „Wie lange die Nachwirkungen von Corona noch zu spüren sein werden, kann zum jetzigen Zeitpunkt niemand seriöserweise sagen. Bei einem längeren Lockdown bin ich dafür, dass wir auch Regeln für die Wirtschaft aufstellen. Also: Homeoffice soll verpflichtend sein und auch im produzierenden Gewerbe muss darauf geachtet werden, dass Mindestabstände eingehalten werden usw. Unabhängig davon, wie lange die Corona-Krise noch andauert, müssen wir aber die Wirtschaft als Ganzes umstrukturieren, vor allem im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge: Keine Privatisierung von Krankenhäusern, bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege und auch die Kommunen müssen besser unterstützt werden.”
Petra Rietzler (SPD): „Die Corona-Krise hat schwerwiegende Auswirkungen, deren Ausmaß uns noch nicht vollständig bewusst ist. Ich halte es dafür für verharmlosend von einer Delle zu sprechen. Damit ist nämlich die Erwartung verbunden, dass alles von alleine wieder gut wird. Wir haben in den letzten zwölf Monaten erlebt, wie krisenanfällig unsere Wirtschaft ist und welche Schwächen unsere Staatsorganisation hat. Daraus müssen wir lernen. Unser Gesundheitswesen ist teuer und dennoch nicht ausreichend für die Herausforderungen gewappnet. Das Versagen in der Impforganisation spricht Bände. Unsere Schulen sind nicht auf dem Stand, den ein modernes Land dringend braucht. Jugendlichen muss der Weg ins Arbeitsleben ermöglicht werden. Das heißt Ausbildungsplätze schaffen und sichern. Wir brauchen zu lange, bis aus Ideen Taten werden. Dies gilt für Wirtschaft und Verwaltung gleichermaßen.”
Levin Eisenmann (CDU): „Ich bin zuversichtlich, dass wir die Corona-Delle bald nach Beendigung der Pandemie überwinden werden. Der Hunger nach Normalität ist groß – das spüren wir alle! Wir müssen die Betriebe und Einrichtungen jetzt unterstützen (siehe Beantwortung Frage 1). Nur so retten wir unsere Innenstädte – und behaupten uns gegen Amazon und Ebay. Nach Beendigung der Pandemie müssen wir wieder schnell zurück zu einer verantwortungsvollen Finanzpolitik kommen. Denn nachhaltiges Haushalten in den letzten Jahren macht die aktuelle Krisenbewältigung erst möglich – diese Spielräume dürfen wir nachfolgenden Generationen nicht nehmen. Als Impulse für die Wirtschaft kann ich mir insbesondere eine bessere Abschreibung von Investitionen und Forschung, eine Reform der Unternehmensbesteuerung und eine echte Bürokratiereform vorstellen. Auf meiner Praktikumstour habe ich erlebt, was teilweise alles dokumentiert und belegt werden muss – etwas mehr Flexibilität vor Ort und Vertrauen gegenüber den Betrieben wäre gut.”
Nese Erikli (Bündnis 90/Die Grünen): „Die Corona-Krise wird deutliche Spuren in unserer Gesellschaft hinterlassen. Aber wenn wir jetzt klug reagieren und neue wirtschaftliche Impulse setzen, werden wir diese Krise gut überstehen. Wir Grünen wollen die Corona-Pandemie als Chance zum Aufbruch in Baden-Württemberg nutzen und unsere Wirtschaft und Gesellschaft widerstandsfähiger machen gegenüber Krisen. Ein Zurück in die Vor-Corona-Zeit ist der falsche Weg, denn erst durch unsere Art zu leben und zu wirtschaften sind wir in diese Krise gekommen, die auch durch Erderwärmung und Artensterben gekennzeichnet ist. Wir haben gelernt: Eng verbunden mit dem Entstehen aggressiver Viren ist ja die zweite, viel größere Krise, nämlich die Klimakrise. Wir haben noch wenige Jahre Zeit, um die Klimakrise einzudämmen – die größte Herausforderung für die Menschheit in diesem Jahrhundert. Unser Vorgehen: ökologische Wirtschaft fördern, um sie zukunftsfähig zu machen und den Klimawandel aufzuhalten.”
Thorsten Otterbach (AfD): „Traurig ist: Häufig bleibt es nicht bei Dellen. Der unverhältnismäßig harte Lockdown zwingt viele Einzelhändler, Gastwirte und Kulturschaffende in den Ruin. Da es sich meistens um Einzelselbstständige handelt, bedeutet dies oft auch den privaten finanziellen Untergang. Da kommt dann plötzlich das auch als Altersversorgung gedachte Eigenheim unter den Hammer: Tragödien, weil die Regierung bei Corona-Hilfen und Impfstoffbeschaffung versagt. Als Sofortmaßnahme für die Wiederbelebung der Innenstädte nach Corona fordere ich den befristeten Verzicht auf Parkgebühren, denn viele Menschen werden aus Angst erst mal den ÖPNV weiter meiden. Innenstadt-Förderkonzepte müssen höchste Priorität haben, denn tote Innenstädte sind nicht wiederzubeleben, wie im Ruhrgebiet festzustellen ist. Erfreulich: dank Homeoffice gelang es auch manchmal Familie und Beruf besser unter einen Hut zu bekommen. Hier sollten die Arbeitgeber offen für partnerschaftliche Gespräche über die Zukunft der Arbeit sein.”
Jürgen Keck (FDP): „Die Corona-Delle wird uns noch lange beeinflussen. Das Virus wird uns weitere Monate bzw. Jahre begleiten. Gerade aus diesem Grund erwarten wir bereits jetzt ein Öffnungskonzept und klare Vorgaben, durch welche eine Lockerung unserer Freiheitseinschränkungen erreicht werden kann. Eine Öffnung schafft automatisch bessere Rahmenbedingungen für unsere Wirtschaft. Wir können Arbeitsplätze nur sichern, wenn wir lernen, mit Corona umzugehen. Langfristig brauchen wir aber eine klügere Wirtschaftspolitik, um Corona hinter uns zu lassen: Bürokratieabbau, keine zusätzlichen Belastungen für die Unternehmen, zielgerichtete Förderung bei der Digitalisierung und bei Innovationen sind notwendiger denn je. Auch beim Stand der Digitalisierung hat Corona enorme Schwächen aufgedeckt. Nur wenn wir dies endlich beherzt angehen, werden wir die Krise nachhaltig überwinden können.”
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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