Fridays for Future sieht die nun gefassten Ziele trotzdem mit »gemischen Gefühlen«
Gemeinderat verabschiedet "Klima-Plus«-Szenario
Konstanz. Der Konstanzer Gemeinderat beschloss am Donnerstag das Klima-Plus-Szenario als Zielvorgabe für den Klimaschutz in Konstanz. Es sieht bis 2035 eine überaus schnelle Absenkung der Treibhausgasemissionen vor. Darüber hinaus enthält es zusätzliche notwendige Maßnahmen, um den Konstanzer Beitrag zum Ziel des Pariser Klimaabkommens (Steigerung der globalen Durchschnittstemperatur um deutlich unter 2° C) noch einhalten zu können.
Der Gemeinderat braucht dazu freilich die tatkräftige Beteiligung der Konstanzer Stadtgesellschaft, um das Gesamtziel einer weitgehend klimaneutralen Stadt zu erreichen und setzt auf umfassende Mitwirkung an dem gemeinsamen Projekt, wurde in der Diskussion ausgesprochen. Die Stadt Konstanz, der Gemeinderat und der Oberbürgermeister fordern eine Vervielfachung der Anstrengungen auf allen Ebenen – insbesondere auch beim Setzen von Rahmenbedingungen auf Bundesebene – damit die Ziele erreicht werden können, so die Vorlage.
Fridays for Future üben Kritik am Beschluss
Der Konstanzer Ableger der „Fridays for Future”-Bewegung freut sich, dass nun endlich im Gemeinderat über ein Klimaziel für die Klimaneutralität debattiert wurde. Dass die Stadtverwaltung dabei der Empfehlung des Heidelberger ifeu-Instituts folgen möchte, bis 2035 nahezu klimaneutral zu werden, halten die jungen AktivistInnen grundsätzlich für die richtige Herangehensweise.
Gleichzeitig kritisieren sie aufs Schärfste, dass sich die Stadt Konstanz damit davon verabschiede, ihren gerechten Beitrag zur Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze zu leisten.
Das ifeu-Institut war im Juli 2020 beauftragt worden, mehrere Absenkpfade auszuarbeiten, nachdem der Gemeinderat sich gegen das von Fridays for Future geforderte Ziel „Klimapositiv2030“ entschieden hatte. Der Vorstellung des ifeu-Instituts stehen die AktivistInnen mit gemischten Gefühlen gegenüber. Denn der Absenkpfad des sogenannten „Klima-Plus-Szenarios“, den das ifeu-Institut vorschlägt, sei zwar sehr ambitioniert, überschreite aber trotzdem das zustehende CO2-Budget, um die 1,5-Grad-Grenze mit einer Wahrscheinlichkeit von nur 50 Prozent einzuhalten.
Frida Mühlhoff kommentiert zu den Wahrscheinlichkeiten: „Bei einem Münzwurf wären unsere Chancen, die 1,5-Grad-Grenze nicht zu überschreiten, besser. Erst 2035 klimaneutral zu werden ist also eine bewusste Entscheidung gegen die Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze. Jenseits dieser Grenze erhöht sich die Gefahr massiv, dass sich durch das Auslösen von Kipppunkten die Klimakrise von selbst verschlimmert und es zu einer Heißzeit kommt; diese würde vermutlich das Ende unserer Zivilisation bedeuten.“ Dennoch sei das Ziel 2035 ein Schritt in die richtige Richtung, da es weit über das bisherige Klimaziel der Stadt Konstanz und auch über die Klimaziele des Landes und Bundes hinausgehe. Die jungen KlimaschützerInnen hoffen, dass die Verschärfung der kommunalen Klimaziele, wie in Konstanz und in vielen anderen Städten, auch ein Verschärfen der Klimaziele auf Bundes- und Landesebene bewirken wird.
Ausdrücklich weisen die KlimaaktivistInnen darauf hin, dass sowohl der Energienutzungsplan der Stadt Konstanz von 2018 als auch das ifeu-Institut im Januar 2021 gezeigt haben, dass sich der massive Ausbau der erneuerbaren Energien für die Stadt Konstanz auch finanziell lohnt – und das sogar ohne die entstehenden Schäden durch einen höheren CO2-Ausstoß in Konstanz mit einzupreisen.
Jannis Krüßmann dazu: „Das sollte auch die letzten Zweifler überzeugen: Klimaschutz sichert uns nicht nur einen lebenswerten Planeten, sondern ist auch wirtschaftlich! Wer da nicht mitgeht, hat die Zeichen der Zeit nicht verstanden.” Bezieht man den Schaden, der bei bei einem Weiter-so entsteht mit ein, so lohne sich das sehr ambitionierte Vorhaben in Konstanz bis 2035 nahezu klimaneutral zu werden allemal, betont Fridays for Future.
Zugleich zeige die Vorlage des ifeu-Instituts, dass Konstanz vor allem den Ausbau von Photovoltaik in den nächsten Jahren vervielfachen müsse, diese Aufgabe erfordere den jungen KlimaschützerInnen zufolge mehr als nur eine „mittelerfolgreiche Solaroffensive“, auch die Stadtwerke müssten im großen Stil in erneuerbare Energien investieren.
Dieses Unterfangen bedeute zwar eine große Kraftanstrengung aller Beteiligten, sei aber dringend notwendig.
Insgesamt zieht Fridays for Future ein gemischtes Fazit. „Wir freuen uns sehr, dass die Stadt mit dem ifeu-Institut zusammenarbeitet und dass seitdem mehr Bewegung beim Klimaschutz in Konstanz zu sehen ist, auch das Ziel 2035 ist eine große Verbesserung und sehr ambitioniert. Dennoch wird Konstanz seiner Verantwortung gegenüber den künftigen Generationen nicht gerecht – oder aber verlangt, dass andere Länder mehr CO2 einsparen, nur weil wir mehr ausstoßen wollen als uns zusteht. Das widerspricht jeglicher Form von Klimagerechtigkeit“, so Noemi Mundhaas.
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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