Tradition des Erntedankbild-Legens in Hilzingen
Mit Präzision und Perfektion zum perfekten Bild
Hilzingen. Nicht auszudenken, wenn dieser Sack – oder besser gesagt: dieses Säckchen – Reis wirklich umfallen würde. Die ganzen fein gemahlenen Körnchen würden sich lawinenartig über die anderen Samen und Früchte ergießen – und die Arbeit von Tagen wäre in Sekundenschnelle dahin. Doch zum Glück sitzt bei den Frauen, die sich in der katholischen Pfarrgemeinde Hilzingen engagieren, jeder Handgriff perfekt. In mühevoller Kleinstarbeit stellen sie den traditionellen Erntedankschmuck für das Hilzinger Kirchweih- und Erntedankfest, das vom 13. bis 16. Oktober stattfindet, her. Und diese Arbeit ist wirklich nichts für schwache Nerven: Mit einer Engelsgeduld setzen die Frauen drei Wochen lang in ihrer Freizeit abertausende von Körnern, Früchten und Samen zu farbenprächtigen Kunstwerken zusammen, die dann bei der Kirchweih in der Barockkirche St. Peter und Paul bewundert werden können. Und dabei bleibt nichts dem Zufall überlassen: Die Kunstwerke sind farblich und bildlich genauestens durchdacht. Welche Motive zu welchem übergeordneten Motto dargestellt werden, legt im Frühling vor dem Fest ein Gremium fest. Dieses Mal ist es der Spruch »Wir sind Gast auf Erden«, zu dem die Bilder des katholischen Pfarrers und Künstlers Sieger Köder als kreative Vorlage dienen. Beim nächsten Schritt ist dann die Kunstfertigkeit von Agnes Weber-Lorenzet gefragt: Sie fertigt die Vorzeichnungen für die Früchtebilder an. Danach machen sich die Schmuckbild-Legerinnen ans Werk: Aus hunderten von Säckchen und Behältern, die den Kirchenkeller in eine riesige Naturalien-Schatzkammer verwandeln, wählen sie die passenden Materialien für das jeweilige Bild aus. Dabei überprüfen die Frauen mit Adleraugen, welches Korn die bildliche Vorlage am besten und am plastischsten wiedergibt und vom Farbton her am geeignetsten ist.
Faszinierende Geschicklichkeit
Während die Frauen arbeiten, herrscht im Kirchenkeller eine ruhige, konzentrierte Atmosphäre, die fast meditativen Charakter hat. Ein eingespieltes Team sind Ursula Schädle, Christa Stephan und Karin Fröhlich, die schon seit fast 30 Jahren zusammen Erntedankbilder gestalten. Während Schädle mit Karin Fröhlich berät, welcher Hintergrund sich am besten für das Bild eignet, an dem sie gerade arbeiten, formt Christa Stephan mit einer langstieligen Pinzette aus feinsten Hirse und Goldhirse-Körnchen den Nasenrücken eines Mannes. Präzision hat bei den Schmuckbildlegerinnen höchste Priorität: Es gilt, möglichst nah an die Bildvorlage heranzukommen. Dabei kann die Kunst auch erfinderisch machen: Um den perfekten Farbton in der gewünschten Korngröße zu bekommen, haben die Bildgestalterinnen kurzerhand eine alte Kaffeemühle zum Samen-Zerkleinerer umfunktioniert. Doch nicht nur die Geschicklichkeit der Frauen ist faszinierend, sondern auch die intensiven Farbtöne der Bilder. Das leuchtende Rot der zerkleinerten Geranien etwa, das zarte Rosé von Rosenblättern oder das kräftige Blau der Kornblumen. Künstlich ist daran jedoch nichts, wie Schädle betont: »Wir verwenden nur das, was die Natur uns schenkt – also nichts Gefärbtes.« Unterstützt werden die Frauen bei ihrer Arbeit übrigens auch von den Kindern und Jugendlichen der Gemeinde. Diese fertigen jedes Jahr eigene, kleine Bilder an und werden so an die Tradition des Schmuckbild-Legens herangeführt, die es in Hilzingen schon seit vielen Jahrzehnten gibt. Dabei lernt der Nachwuchs vor allem eines: Es ist einfach schön, gemeinsam etwas zu erschaffen – da kann auch ruhig mal das eine oder andere Säckchen umfallen!
Mehr zur Kirchweih in Hizingen gibt es in unserer Beilage zum Fest.
- Nicole Rabanser
Autor:Redaktion aus Singen |
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