Hilzingens Pfarrer Matthias Stahlmann über Kirche, Gewerbe und leichtes Gepäck
»Es geht nur miteinander«
Hilzingen. Der evangelische Pfarrer Matthias Stahlmann von der Paul-Gerhardt-Gemeinde Hilzingen eröffnet am Sonntag, 21. Mai, um 10 Uhr, in der Schreinerei Nakowitsch mit einem Gottesdienst die 7. Gewerbeausstellung in Hilzingen. Im Gespräch mit dem WOCHENBLATT zeigt er unter anderem die Brücke zwischen Kirche und Gewerbe auf, spricht über das Recht auf Arbeit und über leichtes Gepäck beim Abschied aus Hilzingen.
Kirche und Gewerbe – wie passt das denn zusammen?
Matthias Stahlmann: Wo sollte Kirche sein, wenn nicht an dem Ort, an dem Menschen zur Arbeit gehen? »Die wohlgetane Arbeit ist rechter Gottesdienst«, hat Luther einmal gesagt. Die Aufspaltung in Werktag und Sonntag ist wenig hilfreich. Viele Gemeindemitglieder lesen am Morgen die Herrenhuter Losungen und beginnen damit ihren Tag. Gottes Wort für den Tag, für die Familie, für die Arbeitskollegen – das macht das Leben schöner. Wer Kirche nur am Sonntag sieht, verliert aus dem Blick, dass es sechs weitere Tage gibt, die wir von Gott geschenkt bekommen haben. Die bunten Säulen des Glaubens mit den Bibelsprüchen vor der Paul-Gerhardt-Kirche in Hilzingen sind ja schon ein Versuch, den Glauben aus der Kirche in die Welt zu bringen. Nun gehen wir wieder auf die Gewerbeschau. Wir waren schon beim Gartencenter Mauch, bei Inpotron und dürfen dieses Mal in der Schreinerei Nakowitsch zu Gast sein.
Über welches Thema werden Sie im Gottesdienst zur Eröffnung der Gewerbeschau sprechen?
Matthias Stahlmann: An einem Ort des kreativen Schaffens habe ich das Thema »Arbeit« ausgesucht. Wer zur Arbeit geht, um finanziell sein Auskommen zu haben, findet darin seinen Sinn – aber ob das auf Dauer reicht? Ich denke es ist wichtig, dass einem die Arbeit liegt, dass sie Freude macht, dass man in seinem Tun wertgeschätzt wird, dass man gut behandelt wird (vom Chef und von den Mitarbeitenden), dass es eine Arbeit ist, der man nicht »entfremdet« ist, um es mit einem Begriff eines bekannten Sozialökonoms zu sagen.
Wie bewerten Sie die Vor- und Nachteile des prosperierenden Gewerbegebiets in Hilzingen?
Matthias Stahlmann: Ich denke, dass es gut für unsere Gemeinde ist, wenn es Unternehmer gibt, die hier in ihre Betriebe investieren und damit vielfältige Arbeitsplätze schaffen. Ich hoffe, dass auch viele jungen Menschen die Möglichkeit haben, ortsnah einen guten Ausbildungsplatz zu finden.
Sie scheuen sich nicht, unbequeme Themen anzusprechen – was meinen Sie zu diesem rasanten Wettbewerb in einer globalen Welt, der die Menschen antreibt, immer schneller mehr zu leisten?
Matthias Stahlmann: Die globale Welt dreht sich im virtuellen Raum schneller als die Erdrotation. Warenströme, Währungsspekulationen, sich verschlechternde Arbeitsbedingungen verzerren das menschliche Gesicht des Wirtschaftens. Es geht nur mehr um Gewinne, Reichtum und Macht. Das war vermutlich meistens so in der Geschichte der Menschheit (man denke an den Turmbau zu Babel, eine Hochhaushybris der Urgeschichte) – aber eigentlich sollten wir es nach Jahrhunderten der Ausbeutung der Menschen und des Planeten, nach Jahrhunderten der Aufklärung und christlicher Wirtschaftsethik doch besser wissen: es geht nur miteinander! Jeder Mensch auf dem Globus hat das Recht auf eine angemessene Arbeit, auf ein faires Einkommen, auf Arbeitsplatzsicherheit und soziale Hilfen. Ihr aufgeführtes Motto: Immer mehr, immer schneller … Es macht die Menschen krank! Wir sehen es an den vielen psychischen Erkrankungen in unserer Gesellschaft. Und ich befürchte, diese unguten Strukturen haben auch schon die jungen Menschen erfasst. Wir müssen umdenken. Gottesdienst und Arbeit wieder zusammenbringen. Entscheiden, was wirklich wichtig ist im Leben.
Nach 14 Jahren verlassen Sie die Paul-Gerhardt-Gemeinde in Hilzingen und Tengen und ziehen ab Herbst nach Büsingen. Was nehmen Sie an »Gepäck« mit – was lassen Sie da?
Matthias Stahlmann: Mir ist es vor allem wichtig, dass mir eine Kirche gefällt. Ich möchte nur in einer Gemeinde arbeiten, in der ich mich im Gotteshaus wohlfühle. Das war in Hilzingen/Tengen so, deshalb habe ich so viel daran gesetzt, beide Häuser noch schöner zu gestalten. Äußerlich und innerlich. Äußerlich ist deutlich sichtbar. Mit innerlich meine ich: Die vielen Gottesdienstexperimente, die ich hier machen durfte; angefangen von den Leuchtfeuern über die Ausstellungen, die Jugendkreuzwege an Karfreitag mit moderner Musik und Kunst, die vielen wunderschönen Konzerte.
Die Gemeinde muss offen sein für die neue Zeit. Das ist mir – hoffentlich – gelungen bei den vielen Aktionen: den Taufen außerhalb der Kirche an vielen Orten, mit den Konfirmanden bei Exkursionen. Ich denke auch an die gute Zusammenarbeit mit den Kollegen an den Schulen, ich denke an die Ökumene mit meinen Kollegen in Hilzingen und Tengen. An die Möglichkeit, gemeinsam das Weihnachtsfest in Tengen zu feiern. Mit Abendmahl. Jeder für sich, aber in einem Gottesdienst. Das war eine wunderbare Erfahrung!
An Gepäck sollte man als Pfarrer kaum etwas mitnehmen. Jesus hat uns darauf hingewiesen, wenig dabei zu haben. Wichtig ist, zu den Menschen freundlich und aufgeschlossen zu sein. Wer viel Gepäck trägt, kommt vermutlich bald außer Atem. Man muss den Koffer auch abstellen. Dann steht er nur im Weg herum.
Also: Wenn mein Dienst hier im Hegau willkommen gewesen ist, so macht es mich froh. In Büsingen-Gailingen beginnt eine neue Zeit. Darauf freue ich mich. Noch einmal ein paar Jahre etwas Neues erleben. Und zu Besuch kommen, das geht ja immer.
Autor:Ute Mucha aus Moos |
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