Wärmenetz auf der Kippe
Das frustrierend lange Warten auf den Förderbescheid
Hilzingen. Die nötigen Vorbereitungen sind getroffen, Verträge abgeschlossen und Angebote eingeholt. Trotzdem kann es mit der Erweiterung des Hilzinger Wärmenetzes nicht losgehen. Der Grund: Seit Monaten wird auf einen Förderbescheid aus der Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) gewartet. Ohne diesen können keine Aufträge vergeben werden. Der Baubeginn musste immer wieder verschoben werden. Nun hat Projektierer Solarcomplex die Reißleine gezogen und den Ausbau auf das nächste Jahr verschoben.
Um was geht es? Das Wärmenetz Hilzingen soll ausgebaut werden - auf mehr als das Dreifache seiner bisherigen Größe. Zu den bestehenden 5,2 Kilometern sollen 13,2 Kilometer hinzukommen. Rund 240 Neuanschlüsse, bislang sind es rund 40, und eine neue Heizzentrale sind geplant. Kostenpunkt: 15 Millionen Euro.
"Es ist im Moment das größte Projekt im Landkreis Konstanz", meint Solarcomplex-Vorstand Bene Müller. "Es geht um einen gesamten Ort." Doch das Projekt tritt auf der Stelle. Die Förderung - rund sechs Millionen Euro sind beantragt - befindet sich in einer Art Schwebezustand. Aus dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) kommt keine Info, ob sie nun bewilligt wird oder abgelehnt. "Die Dinge müssen planbar sein und das sind sie nicht", betont der Solarcomplex-Vorstand. "Auch ein Nein würde uns helfen."
Unsicherheit bei allen Beteiligten
Denn solange nicht klar ist, wann und ob der Förderbescheid kommt, kann Solarcomplex die dafür eingesetzten Mitarbeiter nicht anderweitig einbinden, so Bene Müller: "Wir verplanen auch unsere Personalkapazitäten." Die Fristen der nach der Ausschreibung eingegangenen Angebote sind ohnehin verstrichen. "Wir müssten neu ausschreiben, wenn wir den Förderbescheid bekommen würden." Ob die Kosten dann konstant bleiben, oder sogar steigen, ist ungewiss.
"Alles Blabla"
Auf kommunaler Ebene weiß Bene Müller die Politik - sprich: Bürgermeister Holger Mayer - auf seiner Seite. Auf Landes- und Bundesebene hat er es auch versucht. Mit einem "Brandbrief" an die Bundes- und Landtagsabgeordneten, an Landesumweltministerin Thekla Walker und BAFA-Präsident Thorsten Safarik und auch Franziska Brantner, parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Die Antworten fielen unbefriedigend aus: "Die üblichen, höflichen Formeln", berichtet Bene Müller. "Alles Blabla."
Dass Solarcomplex nun die Notbremse betätigt hat, bringt für die betroffenen Hauseigentümer zumindest ein Stück weit Sicherheit. Sie wissen jetzt, dass sie weiterhin mit Gas und Öl heizen müssen. Glücklich sind die Projektierer darüber aber nicht. "Langer Rede, kurzer Sinn: Es ist ein einziger Murks", sagt Bene Müller. "Das hat mit professioneller Wärmewende nichts mehr zu tun."
"Man wird im Regen stehengelassen"
Auch für Bürgermeister Holger Mayer ist die Situation alles andere als befriedigend. "Das Thema Wärmenetz treibt uns schon lange um", sagt er. "Es wird landauf, landab von der Wärmewende gesprochen." Kommunen würden dazu verpflichtet werden, Wärmeplanungen aufzustellen. Mit Solarcomplex wurde dann auch ein Akteur gefunden, der das Wärmenetz in Angriff nehmen will. "Dann wird man im Regen stehengelassen."
Er appelliert an die Politiker auf Bundesebene, Lösungen zu finden, um Planungssicherheit zu schaffen. Es bräuchte verlässliche Rahmenbedingungen. "Sonst wird das Projekt scheitern."
Drei Zukunftsvarianten
Für Bene Müller stehen drei Möglichkeiten im Raum: Der Förderbescheid kommt zeitnah. Dann will Solarcomplex einen neuen Umsetzungsplan aufstellen. Doch selbst dann wäre ein Baubeginn in 2024 schwer bis unmöglich. Der Förderantrag wird abgelehnt. Dann wäre das Projekt vom Tisch und Solarcomplex hätte "mehrere Hunderttausend Euro in den Sand gesetzt". Oder aber es kommt die Nachricht, dass der Förderbescheid nächstes Jahr kommt. Dann könnte Solarcomplex zumindest seine Mitarbeiter zwischenzeitlich auf andere Projekte ansetzen.
Eine weitere Verlängerung sieht Bene Müller hingegen nicht. "Man kann das nicht ewig vor einen herschieben"; sagt er. Denn ein Wärmenetz braucht eine gewisse Zahl von Anschlüssen. Wenn sich jeder um seine eigene Heizung kümmert, macht es keinen Sinn mehr. Das wird seines Erachtens eintreten, wenn das Projekt nicht im nächsten Jahr angegangen werden kann. Die Hauseigentümer werden die Verträge berechtigterweise kündigen und die Zahl der geplanten Anschlüsse wird dahinschmelzen. Und er ist sich sicher: "Ohne Planungssicherheit wird die Wärmewende scheitern."
Autor:Tobias Lange aus Singen |
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