Holger Reutemann neuer Ehrengerstensafter
Jetzt erst ein richtiger Mensch geworden

Der neuer Ehrengerstensafter Holger Reutemann mit seinem frisch beschlagenen Stab und mit Gerstensack-Zunftmeister John Weber (rechs), Altzunftmeister Walter Benz und Zeremonienmeister Christoph Graf. | Foto: swb-Bild: Oliver Fiedler
  • Der neuer Ehrengerstensafter Holger Reutemann mit seinem frisch beschlagenen Stab und mit Gerstensack-Zunftmeister John Weber (rechs), Altzunftmeister Walter Benz und Zeremonienmeister Christoph Graf.
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Gottmadingen. Der 43. Bieranstich der Gottmadinger Gerstensackzunft war ein ganz besonderer in der 43. Auflage. Denn dort endete für Carola Schäpke die längste Amtszeit als Ehrengerstensafterin aller Zeiten, bedingt durch die Ausfälle der Veranstaltung in den letzten beiden Jahren. Und mit der Neubesetzung des besonderen Amts durch Holger Reutemann, den Zunftmeister der Rielasinger Narrenzunft Burg Rosenegg, war auch ein guter närrischer Coup gelungen, denn Reutemann, der sich als der „Bue vu Rielasinge“ in seiner Ansprache präsentierte, ist natürlich ein wirklicher Bierliebhaber, der befand, dass er durch diese Ehrung erst zum richtigen Mensch geworden sei.

Da platzte die Gottmadinger Fahrkantine am Mittwochabend fast aus allen Nähten, und Gerstensack-Zunftmeister John Weber war seine Freude über diese muntere Narrenschar sichtlich anzusehen, denn die letzten zwei Jahre waren für den Obernarren eben auch harte Kost gewesen. Und nun sollte die Zunftbier-Abstinenz endlich ein Ende haben. Und Weber war als Novum dieser Veranstaltung auch schon nach einer Viertelstunde mit seinem Begrüßungsparcours fertig.

Zeremonienmeister Christoph Graf gab den Hinweis, dass viel trinken natürlich gesund sei, aber noch mussten die fast 300 Gäste des Zunftbieranstichs etwas warten, bis er seine Narrenschelte losgeworden war: Und da hatte er es auf den Gemeinderat abgesehen, der sich unter dem Vorwand des Energiesparens für eine kalte Halle und ausgestellte Duschen entschieden habe. Und nun nach einer Zeit gesperrter Halle die Kinder und Jugendlichen doch wieder aufs Sofa treibe. Jetzt würden die Jugendlichen zu Kranken und ganz Dicken, wo doch gerade jetzt in ihre Gesundheit investiert werden müsse, rief Graf heraus, der aber noch etwas Schlimmeres in die Bütt bringen musste: die Bürokratie.

"De Bue vu Rielasinge" wird der neue Ehrengerstensafter

Denn die will den Narren doch noch alle Zähne ziehen. Denn schon vor dem 150. Geburtstag der Gottmadinger Narrenzunft im nächsten Jahr wird da der Fasnetmäntig-Umzug schon zu einer Herausforderung. Die Hauptamtsleiterin kenne als Schwäbin nur „Umzügle“ und fordere mit dem Bürgermeister nun ein 80-seitiges Sicherheitskonzept. „Jetzt schreiben wir wie toll, halt diese 80 Seiten voll“, sagte Graf mit gar nicht närrischer Bitterkeit. Doch es kam noch ärger: Der neue Chef der Polizei im Dorf, ein „Seckel“, wie Graf ihn betitelte, der noch von den Steuerzahlern finanziert werde und in dessen Hirn sich offensichtlich furchtbare Szenen abspielten, habe sich ins Neinsagen verrannt. Die Lösung freilich war dann wieder eine närrische: „Jetzt machen wir halt einen Montagsspaziergang, ohne Ordnung und doch froh.“

Die Ehrengerstensafterin von 2020, Carola Schäpke, die den Stab seitdem hüten musste, wäre ja eigentlich lieber Weinprinzessin geworden, nun sorgte sie dafür, dass die letzten drei Jahre die Ehrengerstensafterin im Amt war. Sie durfte das Fass anstechen, mit drei sicheren Schlägen zeigte sie, dass sie ihrem Amt alle Ehre machen konnte.
Nach der Narrenschelte kam es aber noch schlimmer (im guten Sinne des freien Geistes): denn Gabi Raff trat mit ihrer Premiere als „Gendersternchen“ auf und fragte sich, wo der Grund für diese Sprachkastration liegt, wo doch schon das Grundgesetz feststelle, dass eigentlich alle Menschen gleich seien. Denn die Frage ging auch an den Narrenpräsidenten, der sich schon fragen müsse, wie lange er noch „Hespel-er“ sein könnte oder „Hespel-es“ werden müsse, wo man schon überlege, ob „die Männer“ eigentlich doch weiblich wären. Das Publikum tobte.
Den Höhepunkt hatte Zeremonienmeister Christoph Graf gut gelegt: Die Stimmung war dank des guten Gerstensafts, mit 12 Prozent Stammwürze, 5,2 Prozent Alkohol und einem malzigen Antrunk und leicht hopfenbitterem Abgang, so die Kenner, ausgezeichnet. Das Trio mit Christian Schopper, Stephan Huber und neu Louis Feucht hatte für diese Fasnet exklusiv rund 650 Liter des Zunftbiers gebraut, von dem nach diesem Abend nicht mehr viel übrig war.
„Ein echter Kerle“, kündigte Graf den neuen Ehrengerstensafter Holger Reutemann an, der als Zunftmeister der Rielasinger „Rattlinger“ und als besonderer Bierkenner bekannt ist, und dem bei der Verleihung vor Stolz fast die Brust platzte: Denn seine Schwiegermutter Sigrun Mattes hatte den Stab einst auch schon bekommen und er fühlte sich, als sei er erst durch die Verleihung als „De Bue vu Rielasinge“ nun erst zum richtigen Mensch geworden. „Fasnet isch das, was man im Herzen trägt. So eine tolle Ehrung gibt’s nur einmal im Leben“, so Reutemann.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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