Die Perspektiven für ein freies Leben
Kutte statt Armani

Alois Fritschi Angelm Grün  | Foto: Gelungene Glanzleistung: Eigeltingens Bürgermeister Alois Fritschi konnte Anselm Grün als Gastredner für den Neujahrsempfang der Gemeinde gewinnen.swb-Bild. sw
  • Alois Fritschi Angelm Grün
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Eigeltingen. Einen selbstständigen Unternehmer, Bestsellerautor und gefragten Coaching-Experten stellt man sich anders vor - mit schickem Anzug, teurer Uhr, adrettem Kurzhaarschnitt und raumausfüllender Präsenz. Doch dieser Self-Made-Man hier ist anders - bescheiden, zurückhaltend, mit wallendem weißem Haar und Bart, brauner Benediktiner-Kutte und fast singender Stimme. Pater Anselm Grün, Gastredner beim Neujahrsempfang der Gemeinde Eigeltingen in der Krebsbachhalle, wirkt authentisch, echt, ungekünstelt. Wenn er von den verschiedenen Haltungen spricht, die Menschen in ihrem Leben einnehmen können, wenn er Eigenschaften und Verhaltensweisen analysiert, philosophisch untermauert und optimiert, dann mimt er nicht den Obererzieher, der anderen Patentrezepte für ein glückliches Leben aufpfropft. Er scheint von wahrhafter Menschenliebe erfüllt und vom christlichen Glauben angestoßen zu sein - und aus dieser Motivation heraus offeriert der studierte Theologe, Philosoph und Betriebswirt Tipps für ein zufriedenes Leben.

Tipps, die die vielen Zuhörer in der Krebsbachhalle, die auch wegen des 1945 geborenen und in München aufgewachsenen Redners gekommen sind, annehmen können - oder auch nicht. Der weite Begriff der »Freiheit« ist ein zentrales Element in dem Vortrag, der den etwas irreführenden Titel »Wie wir leben - wie wir leben könnten« trägt. Anselm Grün lässt jedem Menschen die Freiheit, seinem Leben diese oder jene Richtung zu geben, seine Ratschläge anzunehmen oder nicht. Hier spricht kein grauer Theoretiker, der sich hinter Klostermauern abgeschieden intellektuellen Studien hingibt - hier spricht ein Mann, der mitten im Leben steht, das Leben kennt und es annimmt. »Veränderungen«, erklärt er, sind modern, aber sie bedeuten auch Selbstablehnung, denn man wolle ein anderer werden. Die christliche Antwort darauf sei »Verwandlung«: »Das bedeutet, ich werde immer mehr Ich selbst.«

Es ist keine einhämmernde Predigt mit Imperativen und Doktrinen. Von Ideologien rät Anselm Grün ab: Sie seien, so folgert er kühn, immer Vaterersatz. Daher lässt er sie beiseite. Von reduzierten, aber bedeutsamen Gesten begleitet, zählt der Pater stattdessen in knapp 45 Minuten verschiedene Lebenshaltungen auf - Barmherzigkeit, Dankbarkeit, Ehrfurcht, Gelassenheit. Genügsamkeit ist bei ihm nicht asketische Selbstkasteiung, sondern der Genuss, der zur rechten Zeit endet. Hingabe ist bei ihm nicht Selbstaufgabe, sondern Selbstoptimierung. Und persönliche Authentizität bedeutet nicht, den starken Mann zu spielen, sondern zu zeigen: »Ich bin einfach da und muss niemandem etwas beweisen«. Der Mann kennt die Menschen - darum lässt er Menschliches zu.

- Simone Weiß

Autor:

Redaktion aus Singen

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