Normen, Variationen und eine spannende Geschichte
Gibt es wirklich das "wahre" Schnitzel?

Ein wahres Schnitzel-Dreierlei, das nach dem Gespräch auf dem Teller landete - auch wenn es minimal über den Tellerrand hinausging.
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  • Ein wahres Schnitzel-Dreierlei, das nach dem Gespräch auf dem Teller landete - auch wenn es minimal über den Tellerrand hinausging.
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Schnitzel vom Schwein oder doch lieber das berühmte Wiener Schnitzel vom Kalb? Oft können sich viele Leute nicht entscheiden, was sie nun bestellen möchten. Aber muss es wirklich immer vom Kalb sein, welche Normen müssen eingehalten werden und gibt es das überhaupt, das „wahre Schnitzel“? In der Hoffnung, auf all dies eine Antwort zu finden, habe ich mich als Schnitzelliebhaber aufgemacht zur Schnitzelfarm Meisterklause im Allensbacher Ortsteil Hegne. Denn wer, wenn nicht die können mir hierzu mehr sagen?

Bevor ich jedoch eines meiner Leibgerichte verkosten durfte, ging es an die Fakten. „Generell“, erzählt Inhaber Thomas Müller, „sollte man das Schnitzel als allgemeinen Begriff betrachten.“ Für ihn komme es auch darauf an, wie man diese Speise in der Karte deklariert. „Beim panierten Kalbschnitzel schreiben wir immer ‚Original‘ dazu, bei Schwein, Hänchen oder Pute immer ‚Wiener Art‘, da die Zubereitung genau dieselbe ist.“ Aber ist sie das wirklich?

Ja, wenn auch nur minimal, sagt Müller, der mit zehn Jahren in dieser Gaststätte sein erstes Schnitzel aß. „Manche braten es in der Pfanne, andere wiederum frittieren es, nachdem es in der Panierstraße war.“ Allgemein besteht die berühmte Panade aus Weizenmehl, Eigelb und Semmelbrösel, da ist es ihm zufolge auch egal, welches Fleisch verwendet wird. Dem stimmte auch im Jahr 2009 das Bundesverfassungsgericht zu, dessen Urteil nach Klage eines Fleischherstellers aus Rheda-Wiedenbruck damals besagte, dass man ein Schweineschnitzel auch nach „Wiener Art“ bezeichnen kann, wenn es beispielsweise den Zusatz „vom Schwein“ trägt.
Schnitzel habe zudem laut Müller seinen ganz eigenen Geschmack. „Es ist was anderes wie beispielsweise ein Halssteak.“ Dies fängt schon bei der Bearbeitung durch das Klopfen an, wodurch es sehr zart wird. „Diese Zärte lieben viele Leute“, sagt der Inhaber der Schnitzelfarm.
Der Wortherkunft nach sind „Schnitzchen“ oder „Schnitzlein“ handtellergroße Fleischschnitten, eine Bezeichnung, die bereits im 17. Jahrhundert gebräuchlich war. Was aber, wenn man, wie Thomas Müller bei der Schnitzelfarm, auch Schnitzel anbietet, die über dessen berühmten Rand hinausgehen? Ist es dann noch ein Schnitzel? „Das spielt hierbei gar keine Rolle.“ Es gibt ihm zufolge immer Leute, die das mögen und dann auch bekommen. Genauso wenig Bedeutung findet für Müller die Einhaltung gewisser Normen, wonach ein Schnitzel immer 0,5 Zentimeter dick geklopft sein soll. „Das handhabt jeder Gastronom anders.“ In Österreich gebe es laut Müller auch die Variante, dass zwei Schnitzel zusammengeklopft werden, damit es größer wird, ehe sie hauchdünn in Fettbädern in drei verschiedenen Temperaturklassen gemacht werden. Auch die Größe spielt für ihn hierbei keine Rolle, so liegen in seiner Gaststätte beispielsweise ein „kleines“ Schnitzel bei mindestens „überdimensionalen“ 180 Gramm, bei einer großen Portion gar bei zwei Schnitzeln mit dann Minimum der doppelten Menge.

Spannende Historie

Weg von Normen und Regeln, wieder hin zur Historie, so findet sich der früheste Beleg im „Kleinen Österreichischen Kochbuch“ von 1798, wo man damals von „Gebachene Schnitzeln“ sprach. Die Bezeichnung „Wiener Schnitzel“ tauchte erstmals in einem Kochbuch aus dem Jahr 1831 auf.
Einer Legende zufolge brachte Feldmarschall Radetzky das Rezept im Jahr 1857 aus Italien mit, als er dort ein „Costoletta milanese“ (Mailänder Kotelett) gegessen haben soll, welches wiederum seinem Ursprung nach zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert entstanden sein dürfte. Nach seiner Rückkehr wurde er zu Hofe gerufen, um das Rezept dem kaiserlichen Chefkoch zu übermitteln. Gegen diesen „Mythos“ jedoch spricht, dass in der Wiener Küche Speisen schon lange vor Radetzky paniert und in Fett schwimmend herausgebacken wurden. Streng genommen also müsste es heute Mailänder Schnitzel oder Schnitzel Mailänder Art heißen. Generell kann jedoch gesagt werden, dass das Wiener Schnitzel anfänglich nur eine Festtagsspeise war und erst Mitte des 19. Jahrhunderts in die Festmahlzeiten des Volkes eingefunden habe. Schon damals verwendete man anstelle des Kalbfleisches häufiger das billigere Schweinefleisch. Zu einer gängigen Wirtshausspeise entwickelte sich das Wiener Schnitzel schließlich ab dem Jahr 1900, als es sich im Gasthaus „Goldener Engel“ in Prag auf einer Speisekarte fand. Der Ursprung der bekannten Panier ist sogar bis zur vorchristlichen Zeit zurückzuführen, in der man altes und hartes Brot zu Bröseln verarbeitete und damit die Grundlage für mit altem Brot gebundene Speisen schaffte. Zudem wird häufig auch Gold als Startpunkt der Panier bezeichnet, so ließen sich Menschen in der Lombardei des 15. und 16. Jahrhunderts seine Speisen mit Blattgold überziehen. Wenn man es sich leisten konnte.

Große Beliebtheit

Hierum jedoch macht sich Thomas Müller keine Sorgen heutzutage. „Die Preise sind zwar angestiegen, aber nicht so, dass man es sich nicht mehr leisten kann.“ Auch wenn ein Kalbsschnitzel mal 28 Euro koste, werde das noch gezahlt von den Leuten.
Für Müller macht vor allem die große Vielfalt dieses Gericht so besonders. „Man kann zum Beispiel eine Schnitzel-Roulade machen, wir nennen es Cordon bleu Roulade, das dann auch in der Fritteuse bearbeitet wird, damit es innendrin schön durch ist.“ Ja, auch Cordon bleu kann man als Schnitzel bezeichnen, auch wenn es gefüllt ist.
Auch Variationen à la Hawaii, sprich mit Ananas, Schinken und Käse, oder auch ein Schnitzel mit Bolognese-Soße sind für Müller heutzutage nicht mehr undenkbar. Und allein die Tatsache, dass selbst Microsoft Word das Wort Schniposa nicht als Tippfehler ankreidet, zeigt, wie sehr diese Speise die deutsche Esskultur geprägt hat. Auch Paprika-, Rahm- oder Jägerschnitzel seien laut Müller, trotz ihrer anderen Zubereitungsart gegenüber dem Wiener Schnitzel immer noch ein Schnitzel. „Wir selbst haben auch mit beispielsweise dem Rumpsteakschnitzel neue Varianten dazuerfunden, da das Schnitzel selbst als Basis immer noch geliebt wird.“ Aber nehmen unsere Nachbarn im Süden dies nicht zu übel, wenn es so viel Auswahl gibt? Nein, tun sie nicht, sagt Thomas Müller. „In Wien gibt es unter anderem ein großes Schnitzelhaus, die ebenfalls viele ausgefallene Möglichkeiten haben. Sie machen das Schnitzel auch überwiegend vom Schwein.“ Man arbeite nicht immer nur mit Kalb, da der Preisunterschied auch dort vorhanden sei.

Ein wahrer Sattmacher

Das wahre Schnitzel gibt es für den Inhaber der Schnitzelfarm auf jeden Fall. „Für jeden ist es anders – mal vom Schwein, mal vom Hähnchen. Für die Österreicher muss es auch manchmal vom Kalb sein, obwohl der Ursprung vom Schwein war, für andere ist es egal, da darf es auch gerne mal vom Schwein sein“, sagt Müller. „Wir sehen auch immer was aktuell gefragt ist, so machen wir unter anderem zweimal im Monat zwei neue Variationen im Wechsel dazu, neben den festen Gerichten auf der Karte.“
Ich selbst zumindest erwarte bei einem Schnitzel nicht zwingend, dass es vom Kalb sein muss. Schmecken und satt machen muss es – und das tat zumindest der Probierteller von kleinen „Schnitzlein“, der mir nach dem Gespräch serviert wurde – mit insgesamt gut und gerne 540 Gramm Fleisch vom Kalb, Schwein und Hähnchen. In diesem Sinne: Guten Appetit!

Ein wahres Schnitzel-Dreierlei, das nach dem Gespräch auf dem Teller landete - auch wenn es minimal über den Tellerrand hinausging.
In einem Panier aus Mehl, Eigelb und Semmelbrösel gewendet und später in der Pfanne gebraten - so bereitet das Küchenteam der Schnitzelfarm Meisterklause im Allensbacher Ortsteil Hegne eines der beliebtesten deutschen Gerichte zu. Dabei muss das Schnitzel nicht immer auch vom Kalbfleisch sein.
Autor:

Philipp Findling aus Singen

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