Wildtierhilfe reagiert auf Verfahrenseinstellung nach Feuerwehrlager
Wiedergutmachung bislang abgelehnt
Volkertshausen. Auf die Pressemitteilung von Volkertshausens Bürgermeister Alfred Mutter bezüglich der Einstellung des Verfahrens gegen die Organisatoren des Kreisjugendfeuerwehrlagers hat nun doch noch die Betreiberin der Wildtierhilfestation in Volkertshausen,Yvonne Bütehorn von Eschstruth mit einer eigenen Mitteilung zu den Vorgängen reagiert:
»Als wir unseren Verein, Bio-Top e.V. Vogelpflegestation und Wildtierhilfe Hegau-Bodensee, 2012 in Volkertshausen am Waldrand ansiedelten, taten wir dies, weil uns die angrenzende belebte Natur in dieser ruhigen und friedlichen Umgebung begeisterte. An diesem Ort fühlten wir unsere Wildtierstation mit Klinikcharakter bestens aufgehoben, diese wunderschöne Landschaft mit ihrer besonderen Artenvielfalt und naturüblicher Geräuschkulisse erschien uns geradezu optimal für unsere Schützlinge. Mit unserer langjährigen Tätigkeit als einzige Wildtierstation dieser Art in Baden-Württemberg genossen wir großes Ansehen in der Region und unsere Bekanntheit wuchs weiterhin in Volkertshausen - und darüber hinaus.
Der Vorfall in der Nacht des 27.07.2016 hat unsere Einrichtung zutiefst getroffen und dessen unterlassene Aufarbeitung seitens der Gemeinde und der Feuerwehr erschüttert unser Vertrauen bis heute.
Eine explizite Hinweispflicht auf die Existenz unserer Einrichtung vor dem Vorfall am 27.07.2016 kann uns weder die Gemeinde noch die Feuerwehr vorwerfen. Zum einen obliegt es der Gemeinde, einen ortsansässigen Verein, welcher wesentliche öffentliche Aufgaben wie Tierschutz (Art.20a GG) und Artenschutz wahrnimmt, mit seinen Belangen zu erkennen und in seinem Schutzbedürfnis nicht zu vernachlässigen. Zum anderen ist unsere Einrichtung hinreichend bekannt, insbesondere Herrn Bürgermeister Mutter als einem Vereinsmitglied unserer Wildtierstation. Unser großes Hinweisschild am Eingangstor war bislang ausreichend. Eines weiteren Hinweisschildes, wie von der Gemeinde (in ihrer Mitteilung) gefordert, bedurfte es daher nicht zwingend, zumal hätte ein solches den Aufmarsch von circa 900 lärmenden Personen, ausgerüstet mit Musik und Taschenlampen, sicherlich nicht verhindern können, da die Route offenbar bereits vor 15 Jahren schon so gewählt wurde und daher traditionsgemäß und offensichtlich ohne einer erneuten Überprüfung auf mögliche Veränderungen fahrlässig übernommen wurde. Vor der Zustimmung zu einer Massenwanderung - insbesondere nachts - sind grundsätzlich rechtliche Genehmigungen einzuholen.
Unsere eindringlichen Bitten während des Vorfalls, man möge die Route stoppen oder zumindest einen anderen Rückweg zum Schutz der Tiere wählen, fand bei den Verantwortlichen der Feuerwehr keinerlei Gehör. Dabei wäre es durchaus machbar gewesen, zumindest den Rückweg anders zu wählen. Dennoch passierten 900 Menschen in der Nacht wiederholt die Station – das ergibt 1.800! Die Verantwortlichen der Feuerwehr in ihrer Vorbildfunktion hätten auf jeden Fall die Gefahr für die zu schützenden Lebewesen erkennen und abwehren müssen - und das nicht nur bezogen auf die Tiere der Wildtierstation sondern ebenso im Sinne eines ganz alltäglichen Naturschutzes, zu welchem die größtmögliche Rücksichtnahme auf Tiere im Wald und in der offenen Feldflur während Ruhe- und Aufzuchtszeiten zählt!
Dem geltenden Landeswaldgesetz (LWaldG) Baden-Württemberg §37 (1) zufolge, hat "(...) wer den Wald betritt, sich so zu verhalten, dass die Lebensgemeinschaft Wald (...) sowie die Erholung anderer nicht gestört und beeinträchtigt wird". Fazit: dem Waldgesetz nach sind alle Waldbewohner und Erholungssuchenden zu schützen; wir glaubten auch an einen solchen uns zu gewährenden Schutz. Auch wenn Bürgermeister Herr Mutter sowie die Verantwortlichen der Feuerwehr, Herr Sapper und Herr v. Gillhausen, mehrfach ihr Bedauern aussprachen darüber, dass man gegenüber der Wildtieranlage nicht sensibel genug gewesen sei, ist ebenfalls keineswegs nachvollziehbar, dass und wie geltendes Recht zum Schutz des Waldes und seiner Bewohner derart grob verletzt wurde. Unsere berechtigte Verzweiflung und unsere Versuche, Leben zu schützen und zu retten, wurden uns als „verbale Attacke“ ausgelegt.
Es sind nicht 25 kranke Tiere (wie Hr. Mutter in seiner Pressemitteilung schreibt) einen qualvollen Tod gestorben sondern 25 genesene, von uns gesund gepflegte Tiere, die sich in der Außenvoliere zur Vorbereitung auf ihre Auswilderung befanden. Es wurde nicht nur Leben zerstört, sondern auch Arbeit, Zeit und Geld. Weitere Vögel haben sich in Panik erhebliche Verletzungen zugezogen, von welchen sie sich bis heute noch nicht erholt haben. Es ist ein uneinbringlicher Verlust angesichts der Dramatik, welche sich in dieser Nacht in den Tiergehegen vor unseren Augen abspielte. Uns ist durch den Vorfall ein erheblicher Mehraufwand entstanden: Versorgung der verletzten Tiere, Überwinterung der Tiere, Zuschaltung von Gehegen - in Zahlen ausgedrückt ist dies mit über ca. 11.000 Euro zu beziffern. Auch waren wir durch diese Notfallsituation und den bevorstehenden Mehraufwand gezwungen, unsere Station sofort zu schließen - und konnten somit vorerst auch keine weiteren Tiere mehr aufnehmen. Wir sind eine staatlich anerkannte Einrichtung und es werden uns jährlich mind. 1.150 in Not geratene Wildtiere von Polizei, Naturschutzbehörden, Tierschutzvereinen, Tierärzten, Förster, Jäger, BUND, NABU und Privatpersonen zur Versorgung in unsere Station gebracht. Dieser Umstand machte eine umgehende Veröffentlichung via Medien und Netzwerken erforderlich.
Den Vorwurf, eine Internethetze gegenüber der Feuerwehr initiiert zu haben, weisen wir entschieden zurück – auch wir haben dies seinerzeit stark verurteilt und uns hiervon ausdrücklich distanziert. Zum Schutz unserer hilfsbedürftigen Tiere und im Interesse einer einvernehmlichen Lösung mit der Gemeinde und der Feuerwehr sahen wir davon ab, die Polizei hinzuzuziehen. Wäre die Polizei erschienen und hätte größere Ermittlungen im Tiergehege unternommen, so wäre der Verlust sicherlich noch größer gewesen, denn in Panik geratene Tiere mussten zur Ruhe kommen - dieses Wissen ist als allgemeinbekannt vorauszusetzen. Das Wohl der uns anvertrauten Tiere lag und liegt uns am Herzen – ebenso eine friedliche Lösung mit den Verantwortlichen des Jugendfeuerwehrzeltlagers.
In Absprache und Übereinkunft mit der Unteren Naturschutzbehörde und einem Vertreter der Polizei Radolfzell sahen wir also davon ab, Strafanzeige wegen Sachbeschädigung gegen die Verantwortlichen zu erstatten, sowie die Verstöße gegen das LWaldG BW, JagdG BW, Lärmschutzgesetz, etc. anzuzeigen und in diesen Bereichen Ermittlungen einzuleiten. Dass eine dritte, uns unbekannte Person, eine Anzeige wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz erstattet, oblag weder unserer Kenntnis noch unserem Einfluss. Die Einstellung dieses Strafverfahrens gemäß § 170 Abs. 2 StPO - das heißt, mangels hinreichendem Tatverdacht - mag aus juristischer Sicht zumindest den Vorwurf des Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz in Frage stellen, wobei die Justiz die weiteren Verstöße gegen andere geltenden Gesetze mangels Anzeige jedoch gar nicht überprüft hat. Aus menschlicher Sicht bleibt der Vorwurf gegenüber den Verantwortlichen, die diese Aufmarschaktion an der Wildtierstation vorbei durch den Wald geplant, durchgeführt und trotz Kenntnis nicht umgeleitet haben, weiterhin bestehen. Den durch die Aktion entstandenen immensen Schaden mussten und müssen wir eigenständig auffangen. War es Angst vor juristischen Konsequenzen, dass uns Gemeinde und Feuerwehr die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft abwarten ließen, bevor sie sich zu ein persönliches Gespräch bereit fanden?
Auch 10 Monate nach dem Vorfall ist uns nun in diesem Gespräch mit den Initiatoren des Jugendfeuerwehrzeltlagers klar geworden, dass sich niemand für die verletzten bzw. toten Tiere verantwortlich fühlt, weil der juristisch erforderliche Nachweis der Tat in lediglich einem Punkt vorerst nicht hinreichend geführt werden konnte. Da wir von einer umfassenden juristischen Aufklärung des Vorfalls zwecks einer einvernehmlichen, gemeinsamen Lösung abgesehen hatten, kann von einem Freispruch in jeglichen juristischen Punkten jedoch nicht die Rede sein. Aufgrund einer persönlichen Kränkung der Ehre, die wir nicht zu verantworten haben und die auch wir durch die Hetzkampagne erfahren mussten, blieb es lediglich bei einer Annäherung. Auf eine Wiedergutmachung oder die symbolische Geste wie die von uns vorgeschlagen Nistkästen zu errichten, dürfen wir nicht hoffen, die persönliche Kränkung der Gemeinde sowie der Feuerwehr wiege zu schwer. Auch eine Entschuldigung sollten wir nach dem juristischen Teilfreispruch nicht erwarten – so das Gespräch, in welchem uns Bürgermeister Hr. Mutter seine offenbar beabsichtigte Presseerklärung vorab ablas und welche uns nach ihrem Erscheinen nicht mehr überraschte. Es ist mehr als nur bedauerlich, wenn das in Volkerthausen so Brauch ist, "Aufarbeitungen" so einseitig münden zu lassen. Von diesem Gespräch hatten wir eigentlich mehr erwartet, so hätte eine neutrale Person - im Sinne eines Mediators - sicherlich zu einer größeren Annäherung beitragen können. Mediation mit allen Beteiligten kann Lösungen erarbeiten, bei der im besten Fall alle Parteien gewinnen, weil ein Konflikt auch immer die Chance bereithält, gemeinsam neue Wege zu beschreiten. Dies blieb uns leider verwehrt. Unser Vorschlag und die Bitte, Herrn Herbster, Geschäftsführer des Landschaftserhaltungsverbandes KN e.V., am Gespräch teilnehmen zu lassen, wurde von Bürgermeister Hr. Mutter zwei Mal abgelehnt und verweigert. Auf was wir hoffen dürfen ist ein Sichtschutz und eine Beschilderung, deren Text so lauten könnte: „Vernünftige gehen respektvoll mit dem Wald und der Natur um - für alle anderen gilt das Bundeswaldgesetz".
Eines hat uns überrascht - und zwar, wie groß die Welle der Empörung über den Vorfall in der Nacht des 27.07.2016 gewesen ist. Wir hoffen, dass auch alle hervorragenden, sachlich-kompetenten Kommentare und Stellungnahmen von Bürger und Bürgerinnen in den öffentlichen Netzwerken im Lande Spuren hinterlassen durften. Betont werden kann, dass diese nicht nur von Tierschützern gewesen sind. Wir selbst haben eine so überwältigende Anteilnahme nicht erwartet, doch genau das hat uns Mut gemacht und die Kraft gegeben, unsere Station und unsere Arbeit überhaupt weiterzuführen. Auch wenn wir nun als Verein die entstandenen Kosten und Schäden selbst bewältigen dürfen.
Irren ist menschlich und Fehler machen auch. Das weiß jeder und wünscht sich an mancher Stelle, es besser gewusst oder eine andere Entscheidung getroffen zu haben. Erwartet hatten wir von diesem Gespräch auch menschliches, emphatisches Reflektieren der Geschehnisse. Doch es blieb bei den Opfern ohne Täter – wohlgemerkt in juristischer „Teil-Hinsicht". Uns bleiben - jenseits dieser Vorfälle - all jene Menschen, die unsere Arbeit wertschätzen, unterstützen und uns mit ihrem Zuspruch stärken. Dafür sagen wir, auch im Namen all unserer Tierpatienten, von Herzen danke.
Die komplette Mitteilung findet sich unter www.wildtierhilfe.org
Ausführliche Version unserer Stellungnahme unter: www.wildterhilfe.org
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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