Eine der sechs betroffenen Filialen in Baden-Württemberg / 100 MitarbeiterInnen betroffen
Schwerer Schlag für Einkaufsstadt Singen: Karstadt macht dicht
Singen/ Stuttgart. Vier Tage lang wurde verhandelt, dann kam die schlechte Nachricht für den Einkaufsstandort Singen. Die Filiale am Bahnhofplatz ist eine der fünf Filialen in Baden-Württemberg, die vermutlich auf Oktober schließen sollen. Darüber informierte am Freitagnachmittag die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di die Medien. Ausgenommen von den anstehenden Schließungen sind allerdings die Reisebüros des Unternehmen die weiterhin geöffnet halten, wie von den Mitarbeitenden selbst mitgeteilt wurde.
Martin Gross, Landesbezirksleiter Baden-Württemberg das am Freitagnachmittag: „Für die Betroffenen und ihre Familien ist heute ein ganz schwarzer Tag. Die Corona-Krise ist zwar Anlass für die jetzigen Schließungen, die Leitungen der Unternehmen haben jedoch in den vergangenen Jahren Fehlentscheidungen getroffen, für die nun die Beschäftigten den Kopf hinhalten müssen. Neben der Betroffenheit löst das Wut aus.“
Auch Singens OB Bernd Häuslermeldete sich sofort zu Wort: "Die heute angekündigte Schließung des Karstadt-Warenhauses mit seinen rund 100 Mitarbeitern ist ein schwarzer Tag für die Stadt Singen. Gerade mit Blick auf die Entwicklung unseres Einzelhandelstandortes ist für mich diese Entscheidung nicht nachvollziehbar. Natürlich hat die Baustellenzeit und der Corona-Lock-Down Auswirkungen auf den Umsatz von Karstadt auch in Singen gehabt. Doch nach meiner Kenntnis schreibt die Filiale immer noch schwarze Zahlen. Das Potenzial der Schweizer Kunden und die zu erwartenden künftigen Kundenzahlen in der Singener Innenstadt würden gemeinsam mit dem Entgegenkommen des Vermieters der Immobilie in diesen schwierigen Zeiten meines Erachtens eine Zukunft von Karstadt in Singen möglich machen. Insbesondere für die Mitarbeiter hoffe ich auf eine positive Lösung, die allerdings angesichts der heutigen Entscheidung fast einem Wunder gleichkäme."
Geschäftsleiterin Sabrina Stark wollte die Entscheidung aus verständlichen Gründen nicht kommentieren. Ihr oblag es am Freitagnachmittag freilich, den Mitarbeitern die bestürzende Nachricht zu überbringen, bevor sie über Medienberichte damit konfrontiert würden. Noch gebe es auch nur die Entscheidung und keine weiteren Details. Noch zum Jahreswechsel hatte sie sich zuversichtlich gezeigt, als die neue Marke "Galeria Karstadt" gestartet wurde.
Hans Wöhrle vom Einzelhandelsverband befindet die Entscheidung eine Katastrophe. Zwar sehe er nach vorne auf die Eröffnung des neuen Shoppingcenter CANO eine Lücke werde es für die Einkaufsstadt wie die Kunden mit Sicherheit geben, denn die Singener Filiale habe viele Dinge der Grundversorgung bieten können, zum Beispiel auch Kurzwaren, die im Cano ganz bestimmt nicht zu finden sein würden.
Von der Schließung bin ich persönlich sehr betroffen, denn die Eröffnung 1974 war der Startschuss für die enorme Entwicklung des Singener Handels zu dessen Höchstform mit einer Zentralitätsziffer von circa 200 Prozent, sagte Helmut F. Wessendorf, der damals 1973 noch während des Rohbaus als erster Karstadt Direktor nach Singen kam und heute noch als Geschäftsmann in Singen tätig ist. »Das Cano wird zwar viele andere Impulse bringen, jedoch wird das Karstadt Angebot zu 60 Prozent in der City fehlen, wie Strümpfe, Kurzwaren, Haushaltswaren, Spielwaren, Schreibwaren, Tischwäsche und vieles mehr, also das klassische Kaufhaus Sortiment. Des Weiteren bin ich sehr betroffen, denn etwa ein Dutzend Mitarbeiter, die nun mit der Kündigung leben müssen, habe ich noch 1974 eingestellt und mit denen ich seit dieser Zeit immer noch eine gute menschliche Verbindung hatte«, so Wessendorf weiter.
Verdi sieht die aktuelle Schließungswelle noch als die mildere Variante. Man habe in den viertägigen Verhandlungen zumindest durch ein Entgegenkommen der Mitarbeiter eine Reduzierung der zur Schließung anstehenden Filialen von 80 auf nun 612 Bundesweit erreicht, auch würde nun nicht das Gehalt für die Verbleibenden Mitarbeiter pauschal um 10 Prozent gekürzt.
Für die von Filialschließungen Betroffenen wird es eine Transfergesellschaft zur Beschäftigung und Qualifizierung für mindestens sechs Monat geben. Martin Gross: „ver.di hat in den Tarifverhandlungen Manches erreichen und noch Schlimmeres verhindern können, besonders hilft uns die Transfergesellschaft. Wir werden alles tun, um den Betroffenen jetzt beizustehen. Und wir werden für jeden Arbeitsplatz weiterkämpfen!“
Galerie Karstadt Kaufhof hatte in Baden-Württemberg noch 21 Filialen mit 2.200 Mitarbeitern laut Ver.di. Seit 1. April wurde bereits ein Schutzschirmverfahren angesichts des Corona-Lock-Down eröffnet.
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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