Stellungnahme an die Stadt und den Gemeinderat mahnt Handlungsbedarf an
Gesamtelternbeirat sieht Stadt Singen im Kita-Engpass
Singen. Die Stadt Singen hat die Personalknappheit in den Kitas in Singen bereits im Sommer thematisiert, allerdings mit einiger Zuversicht und der klaren Botschaft, dass der Städtetag hier politische gefordert ist, das Land zum mehr Unterstützung aufzufordern. Nun aber schlägt der Gesamtelternbeirat der Kindereinrichtungen in Singen Alarm, denn er befürchtet nachhaltige Folgen für die Gesellschaft der Stadt, wie die drei Sprecher Markus Sonnenschein, Annika Klotz und Ronald Werner in ihrer umfangreichen Stellungsnahme vermerken, die am Mittwoch an die Stadtverwaltung, die Gemeinderäte wie die Landtagsabgeordnete Wehinger verschickt wurde:
»Nahezu täglich liest man in den Zeitungen die Äußerungen der Politik zur aktuellen Lage in der Altenpflege. Aber nicht nur in der Pflege steuert Deutschland auf ein großes Problem zu, sondern auch in der Betreuung der jüngsten Mitglieder unserer Gesellschaft! In Singener Kindertagesstätten sind der Fachkräftemangel einerseits und der Mangel an Betreuungsplätzen andererseits bereits jetzt deutlich zu spüren.
Der Gesamtelternbeirat für Kindertagesstätten fordert, dass die Stadt Singen ihre Bemühungen intensiviert, um geeignete Fachkräfte auszubilden oder anzuwerben und um eine ausreichende Anzahl an Betreuungsplätzen zur Verfügung zu stellen.Durch den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz war und ist die Stadt Singen gezwungen, ihr Angebot an Betreuungsplätzen massiv auszubauen.
In Anbetracht der stetig steigenden Baukosten ist es für die Stadt, wie auch für die freien Träger kaum mehr möglich, zeitnah die erforderliche Anzahl an Plätzen anzubieten. Der Bedarf an Betreuungsplätzen wird aber in den nächsten Jahren weiter stark ansteigen, vor allem der Bedarf an Ganztagesplätzen; ein Trend, der sich bereits in den vergangenen Jahren abgezeichnet hat. Daher greift die Stadt zu kreativen Lösungen wie dergeplanten Errichtung einer Kita in Modulbauweise.
Durch die wachsende Anzahl der Betreuungsplätze und den wachsenden Bedarf an Ganztagesbetreuung ergibt sich das nächste, schwierigere Problem. Für mehr Plätze und längere Betreuungszeiten werden immer mehr ErzieherInnen benötigt. Auf dem Arbeitsmarkt stehen aber nahezu keine zusätzlichen ErzieherInnen zur Verfügung. Dadurch können offene Stellen in den Einrichtungen zum Teil erst nach langer Zeit oder gar nicht (nach)besetzt werden. Auch der Einsatz von sogenannten „Springern“, die flexibel von einzelnen Trägern z.B. bei Krankheitsausfällen eingesetzt werden, kann die Lücken, die durch fehlendes Personal entstehen, nicht mehr auffangen.
Die Leidtragenden dieser Situation sind die Kinder, da durch die dünne Personaldecke die Qualität der Betreuung sinkt und die ErzieherInnen einer permanenten Überforderung ausgesetzt sind. Hier beginnt der Teufelskreis. Diese Situation erhöht Krankenstände in den Reihen der ErzieherInnen und dünnt die Personaldecke weiter aus.
Obwohl der aktuelle Ländermonitor Frühkindliche Bildung dem Land Baden-Württemberg einen guten Betreuungsschlüssel attestiert, erleben Singener Eltern in einzelnen Einrichtungen, dass betreuungsintensive Aktivitäten wie Turnen, Basteln im Kreativraum oder Spielen im Garten nicht mehr angeboten oder gekürzt werden. Bestehende Kita-Gruppen werden vorübergehend geteilt und mit anderen Gruppen zusammengelegt, um die Betreuung gewährleisten zu können. Im schlimmsten Fall erfolgt die Kürzung der Betreuungszeit in der Einrichtung, so dass Kinder erst später gebracht werden können oder früher abgeholt werden müssen. Diese Situationen haben Eltern in verschiedenen Einrichtungen im Stadtgebiet Singen im vergangenen Kita-Jahr bereits erlebt.
Berufstätige Eltern mit begrenztem Urlaubsanspruch kommen hier an ihre Grenzen, da sie fehlende Betreuungsmöglichkeiten, oftmals kurzfristig angekündigt, anderweitig kompensieren müssen. Auch für Arbeitssuchende ist die Situation alles andere als optimal, wenn sie für ihr Kind keinen oder keinen geeigneten Betreuungsplatz bekommen, der sich mit ihren anvisierten Arbeitszeiten verbinden lässt.
Dabei ist festzustellen, dass es nicht ausreichend ist, irgendeinen Kitaplatz zur Verfügung zu stellen. So hat das Verwaltungsgericht Aachen im August im Fall eines einjährigen Kindes entschieden, dass sich die wöchentliche Betreuungszeit am konkreten zeitlichen Bedarf der Eltern orientieren muss.
Durch die derzeit laufenden Baumaßnahmen in Singen wird sich die Situation weiter verschärfen.Zum einen entsteht neuer Wohnraum in Singen; Familien, die neu nach Singen ziehen, werden für ihre Kinder ebenfalls Kitaplätze beanspruchen. Zum anderen entstehen durch den Bau des CANO Einkaufzentrums neue Arbeitsplätze. Es ist davon auszugehen, dass Verkäuferinnen, die lediglich über einen Regelplatz oder einen VÖ-Platz für ihre Kinder verfügen, keine Chance auf einen festen Arbeitsplatz haben werden, da sie weniger flexibel im Schichtbetrieb eingesetzt werden können.
Die Stadt und die freien Träger in Singen können dieses Problem nicht alleine lösen, aber es muss von der Gemeinde ein Signal ausgehen, dass das Land und der Bund nicht nur im Bereich Pflege sondern auch im Bereich Kinderbetreuung aktiv werden müssen. Darüber hinaus muss die Stadt selbst ihre Bemühungen intensivieren, ErzieherInnen auszubilden oder anzuwerben und ausreichend Betreuungsplätze zu schaffen.
Der Gesamtelternbeirat sieht dringenden Bedarf, die Ausbildung der ErzieherInnen attraktiver und durchgehend praxisnah zugestalten. Auch das Angleichen der Bezahlung während der Ausbildungszeit an andere Lehrberufe kann ein Anreiz für geeignete BewerberInnen sein, sich für das Berufsfeld „Erzieher, Kinderpfleger“zu entscheiden. Darüber hinaus könnten ausgebildete ErzieherInnen durch die Bereitstellung von günstigem Wohnraum dafür gewonnen werden, in Singener Kitas zu arbeiten.
Nach der Ausbildung leisten ErzieherInnen einen wichtigen Dienst an der Gesellschaft. Aus Sicht des Gesamtelternbeirats ist es unverständlich, warum Menschen, die unsere Autos bauen, mehr verdienen als Menschen, die unsere Kinder erziehen. Hier sollte eine spürbare Verbesserung der Entlohnung stattfinden, um dem Fachpersonal in den Kitas größere Wertschätzung entgegenzubringen.
Das Problem Fachkräftemangel ist bereits heute in den Singener Kindertageseinrichtungen spürbar und wird sich weiter zuspitzen. Wir, der GEB, als Vertreter der Singener Elternschaft, sehen die Notwendigkeit, das öffentliche Interesse auf dieses Thema zu lenken. Es geht um den Erhalt und den Ausbau von guten Betreuungsangeboten, und es geht um kindgerechten Lebensraum, die bedarfsorientierte Förderung und Erziehung unserer Kinder sowie um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Finanziell muss die Investition in die Einrichtungen und in das dazugehörige Personal möglich sein, ohne die Elternbeiträge weiter zu erhöhen, denn selbst das Land Berlin, das größter Empfänger aus dem Länderfinanzausgleich ist, erhebt seit dem 01. August 2018 keine Kita-Gebühren mehr.«
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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