Fragen an die Landtagskandidaten aus dem Wahlkreis Konstanz-Radolfzell
Welche Unterstützung braucht der Neustart von Kultur und Sport?
Konstanz/ Radolfzell. »Der Amateurfußball steht in seiner Breite mittlerweile vor der größten Herausforderung seiner Geschichte und benötigt dringend eine Öffnungsperspektive – auf und neben dem Platz“, sagte SBFV-Präsident Thomas Schmidt am Freitag im Vorfeld der Ministerpräsidentenkonferenz am Mittwoch. Viele Vereine stehen inzwischen vor ernsthaften Existenzsorgen. »Jede Woche sind wir aufs Neue gespannt, wie sich die Corona-Lage in Deutschland entwickelt und ob sich darauf Konsequenzen für die Arbeit unserer Mitgliedsvereine ergeben. Leider war in den letzten Wochen keine Entspannung der Lage absehbar, und es wird voraussichtlich auch noch etwas so bleiben«, so der Blasmusikverband in seinem Statement zur aktuellen Lage.
Darum geht es in der Fragerunde dieser Woche an die Landtagskandidaten aus dem Wahlkreis Singen/ Stockach:
Unsere Frage: Kultur und Sport sind tragende Säulen der Gesellschaft. War es gerechtfertigt, diese Bereiche so lange zu schließen? Hier darf die Antwort nur Ja oder Nein lauten.
Was muss jetzt konkret passieren, damit neue Perspektiven für diese Bereiche geschaffen werden?
Die Antworten der KandidatInnen:
Petra Rietzler (SPD): „JA. Im ersten Lockdown vor einem Jahr haben viele Menschen Schweden mit seiner vermeintlich weniger restriktiven Corona-Politik als Vorbild betrachtet. Im weiteren Verlauf wurde klar, das war ein Irrtum. Wenn Einzelhandelsgeschäfte wegen des Gesundheitsschutzes schließen müssen, muss dies fast zwangsläufig auch für kulturelle oder sportliche Veranstaltungen gelten. Die Folgen für Einrichtungen und Verbände sind fatal, weil sie unvermittelt keine Einnahmen mehr hatten. Viele schreiben tiefrote Zahlen und sind in der Existenz bedroht. Kommunen und das Land als wichtige Zuschussgeber für Kultur und Sport stehen in der Verantwortung, ein Aufbau- und Erhaltungsprogramm zu starten. Dazu müssen die bestehenden Förderprogramme überprüft und angepasst werden. Bestimmte Zuschüsse, insbesondere für Fortbildung und für innovative, neue Projekte sollten wir ausweiten. An Unternehmen appelliere ich, Ihr Engagement in der Förderung von Kultur und Sport mindestens konstant zu halten. Und alle Bürgerinnen und Bürger sollten den Vereinen und Veranstaltern, die ihnen wichtig sind, helfen.“
Antje Behler (Die LINKE): „Nein. Es ist richtig, das öffentliche Leben in einer Pandemie für überschaubare Zeiträume herunterzufahren. Das schließt auch Kultur und
Sport mit ein, aber eben auch die klassische produzierende Wirtschaft und weite Teile des Einzelhandels. Von staatlicher Seite müssen entsprechende Hilfen kommen, um das Überleben aller Betriebe und Menschen sicherzustellen. Das einseitige Schließen der Kultur- und Sporteinrichtungen vermittelt den Eindruck von Zweitrangigkeit im Vergleich zum produzierenden Gewerbe. Dies ist eine ungerechtfertigte
Herabsetzung. Gleichzeitig sind oft auch keine passenden und
ausreichenden Hilfen an Kulturschaffende geflossen. Hier hätten Hilfen und Investitionen dringend erfolgen müssen, mit genau der gleichen Dringlichkeit, wie sonstige Wirtschaftsförderung auch. Es sollte allen
Kultur- und Sporteinrichtungen möglich sein, mit gutem Hygiene- und Veranstaltungskonzepten zu öffnen, da die meisten Ansteckungen zuhause
oder bei der Arbeit stattfinden.“
Levin Eisenmann (CDU): „Nein. Vereinsarbeit und Kultur sind wichtige Säulen unserer Gesellschaft. Es war richtig, auch hier Einschränkungen zu verhängen. Jedoch hätte man differenzieren müssen. Nun müssen wir ihnen eine Perspektive aufzeigen, um in einen regulären Betrieb zu kommen. Wir dürfen die ohnehin schwere Nachwuchsgewinnung nicht noch weiter erschweren. Die Vereine haben im letzten Jahr sehr gute Konzepte für den Umgang mit Corona geschaffen und umgesetzt. Wir müssen ihnen nun auch Vertrauen entgegenbringen. Genau das Gleiche bei den Kultureinrichtungen. Denn wir alle merken, wie sehr uns ein Theater oder Kinobesuch fehlt. Hier kann man mit einer klugen Teststrategie und mit der Kontaktnachverfolgung durch die Tickets gute Möglichkeiten nutzen. Genauso wichtig ist, dass versprochene Hilfsgelder schnell ausgezahlt werden und dass es auch für Kulturschaffende und für Vereine bedarfsgerechte Hilfsprogramme gibt.“
Jürgen Keck (FDP): »Nein. Seit einem Jahr dürfen Künstler nicht mehr auf der Bühne stehen. Die einjährige Betriebsschließung ohne Perspektive hätte es nie geben dürfen, weshalb wir im Landtag bereits Öffnungsschritte vorgeschlagen haben. Eine erneute Nacht- und Nebelaktion, wie bei unseren Floristen, kann es im Kunst- und Kultur-Bereich nicht geben. Dass Blumenhändler am Montag öffnen durften, wurde in der Verordnung vom 26.02.21 beschlossen. In unserer Kulturszene geht es um einen kompletten Neustart. Der Bühnentechniker ist in den letzten Monaten beruflich sicherlich woanders eingestiegen. Hier muss erst mal viel Zeit ins Personalmanagement investiert werden. Entsprechende Anträge haben wir auch zur regionalen Öffnung von Sportstätten gestellt. Den Vorschlag des Landessportverbands, die Öffnung des Freizeitsports stufenweise unter Berücksichtigung der jeweiligen Voraussetzungen der Sportart und der lokalen Infektionszahlen vorzunehmen, muss die Landesregierung endlich prüfen bzw. umsetzen.«
Nese Erikli (Bündnis90/ Grüne): „Ja. Um die stark steigenden Infektionszahlen im Spätherbst einzufangen, war es richtig, neben dem Handel auch Kultur- und Sporteinrichtungen zu schließen. Für uns war aber von vornherein klar, dass diese Einrichtungen bei den Öffnungsperspektiven ganz vorne mit dabei sein sollten. Denn für uns Grüne nehmen Kunst-, Kultur- und Bildungseinrichtungen eine wichtige Rolle in unserer Gesellschaft ein, weshalb wir bei möglichen weiteren Öffnungen diese Einrichtungen prioritär öffnen wollen: Ich spreche mich dafür aus, dass die Öffnung von Museen, Galerien und Bibliotheken zeitgleich mit den Läden des Einzelhandels, unter strenger Einhaltung der Hygienebedingungen und mit dem Einsatz von Schnelltests flankiert, erfolgt. Gleichzeitig benötigen Kultur- und Sporteinrichtungen weiterhin umfassende Corona-Hilfsprogramme, die ich für das Überleben der Einrichtungen als essenziell erachte.“
Thorsten Otterbach (AfD): „Nein, insbesondere die Vereinsaktivitäten im Freien können ab sofort wieder aufgenommen werden. Aerosol-Physiker Dr. Scheuch bereits am 24.02. in der AfD-SEESICHT: „Maskenzwang im Freien völliger Unsinn“, am gleichen Tag CDU-Student Eisenmann auf Facebook: „Inhaltlich das gewohnte AfD-Niveau – nämlich Schrott!“ und dann am 27.02. auf Bild.de: „Draußen sind wir zu 99,9 Prozent sicher“, Dr. Scheuch. Die Absage der St. Martinsumzüge war genauso überflüssig wie die Absage der Straßenfastnacht. Beides wäre mit Abstandsregeln möglich gewesen. Die Kinder sollen selbstverständlich sofort wieder alleine in ihre OPTIS steigen und auf den See hinaussegeln. In Öhningen wurde im Herbst die Seeputzete und die Pflanzung von 1.000 Bäumen wegen Corona abgesagt. Da hätte man sogar mit 10 m Abstand arbeiten können. Die Musikvereine können sich sofort wieder mit entsprechendem Abstand in die ersten Frühlingssonnenstrahlen vor ihre Probelokale setzen und musizieren. Ich schaffe Normalisierungsperspektiven.“
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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