Urteil fünf Jahre nach der Wahl
Wahlen nach Ablauf der Amtsperiode für ungültig erklärt
Konstanz/Freiburg. Ein bundesweit beachteter Wahlrechtsstreit bei der Handwerkskammer Konstanz findet beim Verwaltungsgericht Freiburg einen erstinstanzlichen Abschluss: Die Anfechtungsklage gegen die Vollversammlungswahl 2019 war damit im Nachgang erfolgreich, die Wahl aus Sicht des Gerichts für ungültig zu erklären, weil sich die Innungen offen für eine von ihnen mit erstellte Bewerberliste starkgemacht haben. Das Gericht bestätigte andererseits die Rechtmäßigkeit des Wahlverfahrens, das ebenfalls in der Kritik stand.
Wahlordnung und -verfahren sind rechtskonform
Geklagt hatte ein Waldshuter Friseurmeister, der sich mit eigener Liste 2019 zur Wahl der Vollversammlung gestellt hatte, damals allerdings unterlag. Sein Vorwurf, den er vor Gericht vorbrachte: Das im Bundesgesetz beziehungsweise der Handwerksordnung verankerte Listenwahlrecht, nach dem einzig die Gewinnerliste die Vollversammlung stellt (Mehrheitsprinzip), sei nicht demokratisch und müsse geändert werden.
Außerdem wurde das Friedenswahlprinzip hinterfragt. Dieses sieht vor, dass im Falle nur einer Bewerberliste diese direkt als gewählt gilt. Laut Klage sei dies nicht verfassungs- und europarechtskonform.
Dem widersprachen die Richter in Freiburg: Das Wahlrecht entspräche „den sich aus dem Demokratieprinzip ergebenden Anforderungen“, heißt es in der Urteilsbegründung.
Auch weitere angebliche Mängel im Wahlverfahren konnte das Gericht nicht feststellen; weder die tatsächliche Ausgestaltung der Wahlunterlagen noch einzelne Entscheidungen des Wahlausschusses zu den nachträglichen Rücktritten von Wahlbewerbern und der Einsatz von Ersatzbewerbern befand das Gericht als kritikwürdig.
Innungen müssen sich laut Urteil neutral verhalten
Anders beurteilte das Verwaltungsgericht allerdings die Tatsache, dass es Unterstützungsleistungen der Innungen für ihre auf der Bewerberliste platzierten Vertreter gegeben hat.
Eine Innung dürfe sich als Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht wie etwa eine Partei für ihre Bewerber stark machen, sondern müsse sich im Wahlkampf neutral verhalten. Da das Gericht hier Beispiele aus anderen Bereichen gefunden hatte, wurde dem Kläger Recht zugesprochen. Die schlussendlich unterliegende Handwerkskammer ist verpflichtet, die Wahl 2019 für ungültig zu erklären.
Rottler: „Selbstverwaltungsarbeit der Innungsmitglieder wichtig“
Für die Handwerkskammer hat sich der amtierende Präsident Werner Rottler zu Wort gemeldet: „Gut, dass mit dem Urteil den jetzt auch wieder in den Wahlen 2024 erfolgten unfairen und irritierenden Angriffen auf das Wahlrecht der Handwerkskammern ein Riegel vorgeschoben wurde. Aber dass den Innungen das Recht zur Unterstützung ihrer eigenen Vertreter genommen werden soll, können wir nicht annehmen. Ehrenamtlich tätige Innungsmitglieder leisten einen Großteil der Ausbildungsarbeit im Handwerk, von der Nachwuchswerbung bis zur Prüfung. Sie müssen die Möglichkeit haben, sich für diese uneigennützige Selbstverwaltungsarbeit in der Vollversammlung einzubringen.“
Das Urteil hat für die jetzt fast abgelaufene Wahlperiode bis Ende 2024 wenig Relevanz, denn mittlerweile haben für die neue Amtsperiode 2024 bis 2029 bereits Neuwahlen stattgefunden. Mit einem Fortgang des Rechtsstreits ist zu rechnen.
Die vollständige Urteilsbegründung ist auf der Website der Handwerkskammer Konstanz unter www.hwk-konstanz.de/urteil zu finden.
Quelle: Handwerkskammer Konstanz, Petra Schlitt-Kuhnt
Autor:Presseinfo aus Singen |
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