Theater Konstanz inszeniert "Animal Farm"
Tierischer Aufstand auf der Theaterbühne

Thomas Fritz Jung, Kristina Lotta Kahlert, Dominik Puhl, Miguel Jachmann, Luise Harder am Säcke-Wall. Das fühlte sich auch nach Krieg an. | Foto: Ilja Mess/Theater Konstanz
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  • Thomas Fritz Jung, Kristina Lotta Kahlert, Dominik Puhl, Miguel Jachmann, Luise Harder am Säcke-Wall. Das fühlte sich auch nach Krieg an.
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Konstanz. Das Zeichen vor der Premiere war nötig und gut: Anlässlich der Jährung des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine begrüßte Karin Becker, Intendantin des Theaters Konstanz, den gefüllten großen Saal mit mahnenden Worten und lud dazu ein, vor dem Beginn der Premiere von „Animal Farm“ eine Schweigeminute abzuhalten, um den Opfern und den andauernden, völkerrechtswidrigen Zuständen in der Ukraine zu gedenken.

Die Schwermut der Gäste erfüllte auch weiter den Saal, als die Scheinwerfer die Bühne erleuchteten, um diese altbekannte Geschichte „Animal Farm“ nach dem Buch von George Orwell zu erzählen. Eine Geschichte, die sich damals das Ziel setzte, die Aufarbeitung der russischen Geschichte in der Zeit zwischen der sowjetischen Revolution und des Stalinismus zu übernehmen. Mit Erfolg stellte Regisseurin Franziska Stuhr, in Zusammenarbeit mit dem jungen Theater Konstanz, das Stück auf die Bühne, um ihren Gästen das Zusammenspiel aus Macht, Ideologie, Propaganda und dem Wunsch nach Freiheit zu verdeutlichen.

„Sprengt die Macht der Tyrannei (…) eines Tages sind wir frei“

Dumpfe Klänge mechanischer Art erklingen, während das Ensemble des Theaters Konstanz mit Müh und Not die scheinbar schweren Säcke über die Spielfläche hievt. Die Tiere auf der Herrenfarm haben genug von der Unterdrückung und Ausbeutung durch ihren Farmherren Mr. Jones (Dominik Pfuhl) – sie wollen von der bloßen Existenz ins Leben schreiten.

Es ist eine Zeit des Umbruchs, eine Zeit der Revolution. Inmitten dieser Aufstände steht ein Schwein namens Old Major (Miguel Jachmann), dessen Ideen von Gleichheit und Freiheit die Herzen der Tiere entfesseln und die Ideenlehre des Marxismus-Leninismus verkörpert. Doch als der vermeintliche Freiheitskämpfer stirbt, bleiben allein die drei Schweine Schneeball (Luise Harder), Napoleon (Jonas Pätzold) und Petzwutz (Dominik Pfuhl), die seine Ideale aufgreifen und die Rebellion zum Erfolg führen wollen.

Die Tiere übernehmen die Farm in einem erbitterten Kampf mit der Menschheit – eine neue Ära mit dem Versprechen nach Freiheit und Fortschritt beginnt. Doch während sie sich bemühen, ihre Gesellschaft aufzubauen, bemerkt der Zuschauer schon bald, dass Macht korrumpieren kann – und dass es in der neuen Welt der Tiere vielleicht doch nicht so anders ist, als in der alten Welt der Menschen.
Ein anderes Tier, das Schwein Napoleon, welches in der Geschichte Stalin repräsentiert, bringt seinen Genossen und Konkurrenten Schneeball zum Schweigen und vergräbt ihn unter der Bühne des Stadttheaters – und mit ihm auch den Gedanken der Gleichheit. 60-Stunden-Wochen, harte Arbeit und immer weniger Futter überschatten nun die Tage der Farmtiere. Doch wohl, sie machen es gerne für ihre neue Gesellschaft und schaffen sich, mit dem vom Team neu komponierten und spannungsgeladenen Lied „Von der goldenen Zukunftszeit“, weiter die Illusion eines besseren Lebens.

„Alle Tiere sind gleich, aber manche Tiere sind gleicher als andere“

Während die Kuh (Kristina Lotta Kahlert) und Hennen (Louise Harder, gesamtes Ensemble), Pferde (Thomas Fritz Jung, Miguel Jachmann), Esel und Schafe weiter ihre Arbeit unter niedrigsten Bedingungen erfüllen, suhlen sich die Schweine in Faulheit und Wein. Als die zornbelasteten Stimmen der Tiere lauter werden und die Hennen einen Aufstand gegen das Regime anführen, endet die erneuerte Revolution in der Verweigerung zur Abgabe ihrer Eier und dem Hungertod.
Eine Anspielung auf den Holodomor, die von Stalin herbeigeführte Hungersnot, seinerzeit in der Ukraine. Obwohl das 140 Seiten lange Buch für die Inszenierung auf den Stoff der Spieldauer von etwas mehr als einer Stunde begrenzt werden musste, gab es wohl kaum einen Abbruch der geschichtlichen Aspekte, welche die mahnende Erzählung prägen. Auch die Propaganda, welche von widersprüchlichen Geboten bis hin zu einer Einschüchterung durch Hinrichtung reicht, wird von Franziska Stuhr und Dramaturgin Hannah Stollmayer passend und klar arrangiert. Mitreißend und eindrücklich präsentieren die Schauspieler, begleitet von der Erzählerin Anna Eger, so einen Einblick in ein schreckliches Zeitalter, in dem Gleichheit nur ein Vorwand ist, um eine totalitäre Ordnung zu erbauen. Das Stück dient so gleich als Mahnmal, den gemeinsamen Kampf um die Erhaltung und Herstellung der Demokratie nicht aufzugeben.

„Vierbeiner gut, Zweibeiner schlecht“

In dem Streben nach Reichtum und Macht gehen die Schweine im Folgenden immer offensichtlicher über die Grenzen ihrer eigenen Gebote hinweg und eignen sich selbst den Gang des mutmaßlichen Feindes – des Menschen – an, der hier wohl das eigentliche Schwein vertreten soll. Wenngleich das Stück und die Kernaussage ihren Anklang finden, ist es fraglich, ob die ausgewählte Zielgruppe – Kinder ab zwölf Jahren – den Kontext ohne Weiteres versteht.
Auch die Satire und die damit einhergehende Ironie, welche das Stück in sich tragen sollte, fand nur wenig Anklang im Publikum, was auch sicherlich der Ernsthaftigkeit und Hoffnungslosigkeit der Geschichte zuzuschreiben ist. In einer Sackgasse endet so die Geschichte der Farmtiere und hinterließ bei so manchem Zuschauer eine Betrübtheit – denn wie sehr hätte man sich in diesen Zeiten ein zufriedenstellendes und befreiendes Ende für die Farmtiere gewünscht.

Von Tara Koselka

Autor:

Redaktion aus Singen

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