Insgesamt fünf Schwer- und elf Leichtverletzte / Tathergang rekonstruiert
Rekonstruktion der Tatnacht liefert neue Erkenntnisse
Konstanz. Zwischenzeitlich klarer ist der Ablauf des Geschehens in der Nacht zum 30. Juli, bei dem in und außerhalb einer Diskothek im Konstanzer Industriegebiet durch unmittelbare Schusseinwirkung ein Türsteher tödlich, zwei weitere Sicherheitsmitarbeiter sowie zwei Gäste und ein Polizeibeamter schwer verletzt wurden. Mindestens elf Personen erlitten bei ihrer panikartigen Flucht leichtere Verletzungen oder einen Schock, heißt es in einer neuen Pressemitteilung vom Donnerstag.
Anhand der Auswertung von Videomaterial und aufgrund einer im Außenbereich der Diskothek mit den in der Tatnacht eingesetzten Polizeibeamtinnen und -beamten durchgeführten Rekonstruktion steht fest, dass nach Eingang der ersten Notrufe fünf Streifenwagenbesatzungen nahezu gleichzeitig am Ereignisort eintrafen und aus einsatztaktischen Gründen die Fahrzeuge auf der Max-Stromeyer-Straße im östlichen und westlichen Zufahrtsbereich der Diskothek abstellten, um dort die zusätzliche Schutzkleidung anzulegen.Dabei wurde einer der Beamten, der hinter dem Streifenwagen kniete und gerade den ballistischen Schutzhelm aufgesetzt hatte, von einem Projektil getroffen, das den Schutzhelm durchschlug und den Polizisten schwer, jedoch nicht lebensgefährlich verletzte.
Schon zu diesem Zeitpunkt wurden die eingesetzten Beamten, als sie damit beschäftigt waren, die Einsatzausrüstung anzulegen und sich, auch über Funk abzusprechen und ein erstes Bild von der Lage zu verschaffen, mit Vorwürfen konfrontiert. Dabei wurde ihnen vermeintliche Untätigkeit von Personen vorgeworfen, die von der Notwendigkeit eines taktisch abgestimmten Vorgehens in einer solchen Bedrohungslage keine Kenntnis hatten. Kurz darauf kam es zwischen einem Polizisten, der zusammen mit anderen Einsatzkräften gegen den auf dem Parkplatz umhergehenden und Schüsse abgebenden Tatverdächtigen vorgerückt war, zum Aufeinandertreffen, bei dem der Beamte aus seiner Dienstpistole zwei Schüsse abgab, von denen einer den 34-Jährigen lebensgefährlich verletzte. Weitere Schüsse aus Dienstwaffen, auch aus mitgeführten Maschinenpistolen, wurden von anderen Einsatzkräften nicht abgegeben.
Obwohl noch nicht klar war, ob weitere Personen in das Geschehen involviert sind, näherten sich viele der Besucher, die zuvor geflüchtet und teilweise die Polizeikräfte beschimpft hatten, dem lebensgefährlich Verletzten und störten die weiteren Einsatzmaßnahmen, um offensichtlich ihre Neugier zu befriedigen. Dies belegen auch Bilder der Überwachungskameras im Außenbereich, auf denen Gäste der Diskothek zu erkennen sind, die sich vor dem um sich schießenden Mann auf dem Parkplatz versteckt hatten, um dann wieder hinter Fahrzeugen hervorzukommen, um Aufnahmen mit ihrem Handy zu machen. Nichts geändert hat sich am Sachstand der Vorgehensweise des 34-Jährigen, der trotz sofortiger Erste-Hilfe-Maßnahmen einer Frau und eines Mannes auf dem Parkplatz und einer Notoperation im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen erlag.
Wie bereits berichtet, war der Tatverdächtige noch vor dem Parkplatz aus dem Taxi gestiegen und hatte sich, erste Schüsse aus dem Schnellfeuergewehr abgebend, über den Parkplatz dem Haupteingang der Diskothek genähert. Dort schoss er mehrmals durch die geschlossene Eingangstür, betrat dann den Vorraum, bewegte sich weiter Richtung Kassenbereich und Foyer, um schließlich die sogenannte Main Hall zu betreten, wo er nachweislich zwei Schüsse in die Decke abfeuerte.
Offensichtlich auf der Suche nach seinem Schwager ging der 34-Jährige wieder in Richtung Ausgang, wo ihm im Bereich des Foyers ein Gast im Vorbeilaufen die Waffe entreißen wollte, was allerdings misslang. Da dieser Mann ein wichtiger Zeuge ist, aber noch nicht ermittelt werden konnte, bittet die Polizei diesen Besucher, sich mit der Kriminalpolizei unter 07541-701-0, in Verbindung zu setzen.
Beim Verlassen der Diskothek gab der Tatverdächtige noch einen Schuss durch die Tür ab, wodurch ein Security-Mitarbeiter durch Glassplitter im Gesicht verletzt wurde. Nachdem er die Diskothek wieder verlassen und sich auf dem Parkplatz aufgehalten hatte, wurde von Türstehern der Haupteingang verschlossen. Als der 34-Jährige wieder zurückkam und die Türen verschlossen vorfand, gab er zunächst einige Schüsse auf die Tür ab und schoss dabei auch durch die Türverglasung. Ob zu diesem oder zu einem früheren Zeitpunkt der Türsteher tödlich verletzt wurde, konnte noch nicht abschließend geklärt werden. Anschließend versuchte der Tatverdächtige mit der Schulterstütze des Sturmgewehrs die Verglasung einzuschlagen, wobei die Schulterstütze abbrach. Der Tatverdächtige begab sich daraufhin in Richtung Max-Stromeyer-Straße, wo er auf die ersten ankommenden Polizeifahrzeuge das Feuer eröffnete.
Während durch die Obduktion des Opfers und des 34-Jährigen geklärt werden konnte, dass die Schussverletzungen todesursächlich waren, steht das Ergebnis der toxikologischen Untersuchung noch aus, mit der geklärt werden soll, ob der Tatverdächtige zur Tatzeit unter Einwirkung berauschender Mittel stand. Nach den Ermittlungen der Sonderkommission, die zwischenzeitlich personell reduziert wurde, war der 34-Jährige nicht im Besitz einer waffenrechtlichen Erlaubnis. Die Nachforschungen des Bundeskriminalamtes und des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg zur Herkunft des amerikanischen Sturmgewehrs dauern nach wie vor an. Auch die Ermittlungen zu den Hintergründen des Streits zwischen dem Tatverdächtigen und dessen Schwager, dem ehemaligen Betriebsleiter der Diskothek, sind noch nicht abgeschlossen.
- Stefan Mohr
Autor:Redaktion aus Singen |
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