Podiumsdiskussion auf dem Queergestreift-Festival
Queere Bildungsarbeit und Beratung im ländlichen Raum auf dem Prüfstand

Von links: Annika Stetter (Mobile Jugendarbeit Konstanz), Bildungsreferentin Theresa James, "Obertunte" Jona Oremek, Schwester Agnetha, Sandra Müller (FLUSS e.V.) und Ezgi Arasan (Queerskateclub Konstanz) diskutierten über queere Bildungsarbeit und Beratungsstellen im ländlichen Raum | Foto: Philipp Findling
  • Von links: Annika Stetter (Mobile Jugendarbeit Konstanz), Bildungsreferentin Theresa James, "Obertunte" Jona Oremek, Schwester Agnetha, Sandra Müller (FLUSS e.V.) und Ezgi Arasan (Queerskateclub Konstanz) diskutierten über queere Bildungsarbeit und Beratungsstellen im ländlichen Raum
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Konstanz. Junge queere Menschen haben nach wie vor einen schweren Stand in unserer Gesellschaft. So auch in der Bildungsarbeit sowie bei den Beratungsstellen im ländlichen Raum, wie eine im Rahmen des Queergestreift-Festivals durchgeführte Podiumsdiskussion aufzeigte.

So sein und leben, wie man es selbst für richtig hält. Dies ist gerade für nicht-heterosexuell-orientierte Jugendliche kein leichtes Pflaster. „Das Beratungsnetz für diese Zielgruppe ist nicht gut ausgebaut und das, obwohl es wichtig ist, sich für queere Themen einzusetzen“, erläuterte Julika Funk, Leiterin der Chancengleichheitsstelle der Stadt Konstanz direkt vor Beginn der eigentlichen Diskussion, welche vom Vorstandsmitglied des CSD Konstanz, Schwester Agnetha Maria R. moderiert wurde. „Queere Bildungsarbeit richtet sich an alle, auch nicht-queere Menschen“, betont Bildungsreferentin Theresa James aus München. Es brauche mehr Safer Spaces, sprich Räume, in denen diese Menschen sie selbst sein können und ein offenes Ohr bekommen. Sandra Müller von FLUSS e.V. aus Freiburg geht diesbezüglich noch einen Schritt weiter: „Uns ist die Arbeit mit Bezugspersonen queerer Menschen genauso wichtig wie mit Jugendlichen. Daher müssen Erwachsene gut miteinander umgehen können.“

Aktiv werden und Barrieren abschaffen

Annika Mettner von der Mobilen Jugendarbeit Konstanz sieht die Bodenseeregion in Sachen Beratungsstellen nicht gut aufgestellt: „Queere Menschen fühlen sich nicht sicher. Sie brauchen mehr Orte, an denen sie bleiben möchten und Menschen, die ihnen zuhören.“ Als ein Problem von vielen sieht sie die Anreiseschwierigkeiten der Jugendlichen zu den Anlaufstellen: „Sobald die Leute umziehen, fallen solche, meist ehrenamtlich geführten Angebote weg.“ Die Wege müssen ihrer Ansicht nach kürzer sein, weshalb sie sich eine bessere Zusammenarbeit mit den Kommunen sowie eine generell strukturelle Veränderung wünsche. Ein queerer Junge aus dem Publikum wies im Zusammenhang dazu darauf, dass er von Gottmadingen aus lediglich eine Beratungsmöglichkeit in Schaffhausen als nahgelegendste Möglichkeit habe. „Ich möchte an die Stadt Konstanz appellieren, in dieser Sache aktiv zu werden, um genau solche Barrieren abzuschaffen“, ergänzte Schwester Agnetha.
"Obertunte" Jona Oremek, die 2021 den ersten Queer-Pride in Ravensburg mitorganisierte und von Berlin aus die aktive LBGTQ-Szene in Friedrichshafen mitsteuert, wies ebenfalls auf Schwachstellen der kommunalen Arbeit hin: „Friedrichshafen ist, was die Arbeit für queere Menschen betrifft, ein ganz heißes Pflaster, so musste ich mehrfach mit der Stadt für bestimmte Veranstaltungen kämpfen.“ Ihr zufolge dürfe man nicht vergessen, welche Auswirkungen der Mangel an Beratungsstellen habe: „Die Suizidrate ist bei queeren Jugendlichen extrem hoch.“ Dahingehend fordere sie eine engere Kooperation zwischen den Landkreisen, um regional mehr queere Jugendzentren aufzubauen. Für sie seien strukturelle Veränderungen in der Bildungsarbeit sowie in den Angeboten von Safer Spaces und queeren Beratungsstellen die Schlüssel zur Bekämpfung von Queerfeindlichkeit.

Queere Inhalte im Lehramtsstudium

Bezüglich der queeren Bildungsarbeit hat Ezgi Arasan vom Queerskateclub Konstanz eine klare Schwachstelle ausgemacht: „Ich müsste die queere Bildungsarbeit on top zu den Aufgaben im Bildungsplan machen." Dies jedoch würde zu einer Überforderung führen. Auf die Äußerung eines Zuhörenden im Publikum hin, dass Arasan als Individiuum doch sehr viel bewegen könne, antwortete Theresa James wie folgt: "Sie kann als Individuum zwar viel bewegen, jedoch kostet das sehr viel Kraft." Es könne nicht sein, dass es auf eine Person abzielt, die sich dem Thema annimmt, auch wenn sie als eine Person viel leisten kann, brauche es eine strukturelle Veränderung. Hierauf folgte großer Applaus im Publikum.
Laut James kann es fortführend dazu nicht sein, dass Seminare mit queerem Inhalt nur freiwillig sind: „Solche Sachen müssen in das Lehramtsstudium integriert werden.“ Die eigentliche Anti-Diskriminierungsarbeit, so Müller, solle von Schulen gestemmt werden, da externe Bildungsvereine dies nicht leisten können. „Es braucht Vertrauenslehrer, die offen mit dieser Thematik umgehen.“ Nur gemeinsam sei man stärker und nicht in Konkurrenz zueinander. „Eine Förderung für queere Themen ist bereits in der Schule notwendig“, merkte die Kreistagsabgeordnete Christine Kreitmeier aus dem Publikum heraus an und bot den RednerInnen im Anschluss an die Diskussion eine Vernetzung an. In einem Punkt waren sich, wie Arasan, am Ende alle Beteiligten einig: „Wir können nur etwas ändern, wenn wir wissen wie stark wir sind.“

Autor:

Philipp Findling aus Singen

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