Baukrisengipfel mit der Bauministerin
Genossenschaften im Kreis schlagen Preisalarm
Kreis Konstanz. Die aktuellen doch sehr dramatischen Entwicklungen der Energiekosten, die daraus rasant steigende Inflationsraten, dazu immer mehr Lieferkettenprobleme und Fachkräftemangel im Bau- und Ausbaugewerbe treffen alle Bauherren aktuell in Mark und Bein. Und insbesondere die Baugenossenschaften im Landkreis, die ja schon aufgrund ihrer Bestimmung die Aufgabe haben, ihre Mitglieder als Mieter mit möglichst günstigem Wohnraum zu versorgen. Schon im letzten Jahr wurden bei vielen Bauprojekten veranschlagte Baukosten überschritten, da sich die Kostenspirale schon in der Corona-Krise zu drehen begann, doch aktuell stehen plötzlich eine ganze Reihe von Bauprojekten zur Disposition oder sollen verschoben werden, in der Hoffnung, dass sich die Preise mittelfristig wieder einrenken könnten. Günstiger Wohnraum ist freilich jetzt Mangelware und das auch schon seit Jahren, so dass die Pläne zur Entlastung des Wohnmarkts in der Region, die bei den Preisen ohnehin sehr weit oben steht, einen ziemlichen Dämpfer erhalten haben. Deshalb trafen sich die Vertreter der regionalen Baugenossenschaften am Montag mit der neuen Bundesbauministerin Klara Geywitz zum regionalen Wohnbaugipfel.
Bei dem Treffen, mit den Vertretern der regionalen Baugenossenschaften am Montag, mit der neuen Bauministerin Klara Geywitz gab es freilich gute wie schlechte Nachrichten. Zum einen konnte die SPD-Ministerin in dem erst wieder im Herbst geschaffenen Ressort Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen darüber informieren, dass die Bundesregierung für die laufende Wahlperiode, die allerdings noch bis 2035 geht, zusätzliche 8,5 Milliarden Euro zur Förderung des Sozialen Wohnungsbaus bereitstellen werde. Aber: »Es wird uns nicht möglich sein, alle Kostensteigerungen wegzusubventionieren«, macht sie im Anschluss an die Runde im Gespräch mit dem Wochenblatt am Montag deutlich.
Die Vertreter der Baugenossenschaften und auch kommunalen Baugesellschaften im Landkreis, die ohnehin schon seit Jahren den schmalen Grat gehen müssen, einerseits den Ansprüchen von attraktivem Städtebau zu genügen und Vorbild dabei zu sein, die auch von den immer höher gesetzten Umwelt- und Klimastandards herausgefordert sind bis zum Brandschutz oder barrrierefreien Ausbau, und dies letztlich für einen »bezahlbaren« Mietpreis umsetzen sollten, fanden in den letzten Wochen dramatische Worte.
Der Geschäftsführer der städtischen Wohnungsbaugesellschaft WOBAK aus Konstanz, Jens-Uwe Götsch, sprach für alle anwesenden Vertreter der Wohnungswirtschaft, als er steigende Baukosten, Fachkräftemangel bei Bauunternehmen und die steigenden Zinsen beklagte, die es nicht nur seinem Unternehmen schwer machen, bezahlbare Wohnungen neu zu bauen und gleichzeitig ihre Kosten zu tragen. So benötige der Spar- und Bauverein Konstanz bei den derzeitigen Bau- und Immobilienpreisen eine Miete von 16,50 Euro auf den Quadratmeter, um die Kosten tragen zu können. Diese Preise könnten die Mitglieder der Genossenschaften nicht tragen, berichtete die Bundestagsabgeordnete Dr. Lina Seitzl (SDP), die das Treffen arrangiert hatte, nach der Diskussion.
Kostenfalle Zuschüsse
Axel Nieburg von der Baugenossenschaft Hegau zeigte sich aufgewühlt: dort ist seit Anfang des Jahres nach Jahren der Vorbereitung das Projekt »Überlinger Höfe« in der Umsetzung, das eine Nachverdichtung bei den Punkthäusern an der Überlinger Straße in der Südstadt auf einem eigenen Grundstück, das also dafür nicht mehr erworben werden musste, nachverdichtet werden soll. Auch durch die Turbulenzen um die Förderung mit KfW-Mittel (Kreditanstalt für Wiederaufbau mit den berühmten Darlehen für energetisch optimierte Bauten) haben dort mit den Baukostensteigerungen die Kalkulation auf den Kopf gestellt. Mit einer »Schmerzgrenze« von 5.000 Euro Baukosten für den Quadratmeter Wohnraum war man schon in das Projekt hineingegangen, jetzt sei man schon bei 5.400 Euro angekommen und damit auch bei einer erforderlichen Miete von weit über 10 Euro pro Quadratmeter. »Wenn wir nicht schon so weit in der Umsetzung wären, würden wir das Bauprojekt stoppen und auf bessere Zeiten warten«, machte der im Gespräch mit dem Wochenblatt deutlich. Denn was da herauskomme, entspreche nicht dem »bezahlbaren Wohnraum« und eigentlich nicht mehr dem Zweck der Genossenschaft.
Stahl zum Tagespreis
Und auch die Singener Baugenossenschaft Oberzellerhau hat den Fuß schon auf der Bremse: gegenwärtig wird an der Wehrdstraße beim Hegautower emsig investiert. Nach einem Baustart von 15 Monaten für insgesamt über 80 neue Wohnungen, auf die der Wohnungsmarkt dringend wartet. Wo das Projekt bei den Kosten landet, ist ungewiss, mit Sicherheit aber teurer und eben unkalkulierbar. »Wir bekommen den benötigten Stahl derzeit nur zu Tagespreisen«, machte Vorstand Thomas Feneberg das Dilemma deutlich. Und das war übrigens auch schon vor dem Ukraine-Krieg Thema gewesen. Die Folge: »Wir planen erst mal kein neues Bauprojekt, weil die Entwicklung so unklar ist«, so Feneberg bei der kürzlich vorgestellten Bilanz.
Stillstand in »Pipeline«
Auch die Familienheim Bodensee mit Sitz in Radolfzell, die auch im Hegau, zum Beispiel in Engen oder Hilzingen aktiv ist, sieht sich vor großen Herausforderungen. Derzeit liegen einige Projekte für die nächsten vier bis fünf Jahre in der »Pipeline«. Was begonnen ist, wie das repräsentative Bauprojekt "Aacher Straße" in Engen, wird wohl am Schluss einiges mehr kosten als die kalkulierten 13 Millionen Euro, aber für weitere Maßnahmen wolle man nun »flexibel bleiben«. »Wir müssen weg vom Wunschdenken und Schönreden«, mahnte Vorstand Stefan Andelfinger kürzlich in der Vertreterversammlung. »Wir werden deutliche Mietminderungen haben und können deshalb weniger bauen«, blickt deren Aufsichtsratsvorsitzender Bernhard Hertrich skeptisch in die Zukunft. Da spielen die Inflation und die Energiepreise gegen die Genossenschaft.
Bei den kleineren Baugenossenschaften zeigt die Bauampel auch erst mal rot. Bei der Stockacher Baugenossenschaft konnte zwei wichtige Bauprojekt jetzt gerade noch im Kostenrahmen fertiggestellt werden, aber weiter Projekte liegen wegen »Unkalkulierbarkeit« erst mal auf Eis. Und die Genossenschaft muss erst noch viel Geld in die Analyse der Energieeffizienz ihrer Gebäude und eine »Dekarbonisierungsstrategie« investieren.
Und bei der Wohnbaugenossenschaft Gottmadingen gibt es seit letztem Herbst eine Innenhofbebaung, die alte Blockrandbebaung freilich, die »nicht mehr sanierungsfähig ist« und auch schon entmietet, bleibt freilich erst mal stehen bis auf Weiteres. Unter den aktuellen Bedingungen seit das für die kleine Baugenossenschaft nicht kalkulierbar, wurde letzte Woche bei der Mitgliederversammlung bemerkt.
Wenigstens Ansprechpartner
Es blieb in der Runde am Montag natürlich erst mal bei den Sorgen, die geschildert wurden. Zumal die Ministerin auch keine Einschränkungen bei der Sicherheit wie der Energieeffizienz als sinnstiftend ansieht, wie sie dem Wochenblatt erklärte. Denn auch die Nebenkosten sind aktuell eiskalter Faktor für die Mieter und »die Klimakrise ist ja nicht weg und das würde uns schon bald viel stärker erwischen.« Die Vorstände der Genossenschaft sind auf jeden Fall erst mal froh, wieder einen Ansprechpartner in der Bundesregierung zu haben.
Winfried Kropp, Vorstandsmitglied des Mieterbunds Baden-Württemberg, lobte das neue Ministerium: Wohnungspolitik habe mit der Ministerin eine neue Ansprechpartnerin in Berlin gewonnen. Er forderte freilich auch ein Kündigungsmoratorium, falls Mieter aufgrund der aktuell extremen Energiepreissteigerungen hohe Nachzahlungen nicht auf einmal bezahlen könnten. Auch das sind Probleme, mit denen sich bald schon die Wohnbaugenossenschaften herumschlagen müssten.
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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