Mehr als Engpassbeseitigung / Verein als Partner der Stadt
Dritter Naturkindergarten ist in der Vorbereitung
Konstanz. Draußen ist es am schönsten“ – diese Weisheit haben sicherlich viele bereits von ihren Eltern und Großeltern gehört. Und es beschreibt wohl sehr gut die Philosophie, die Naturkindergärten verfolgen. Doch was genau ist eigentlich ein Naturkindergarten? Ist man da wirklich den ganzen Tag draußen? Was ist, wenn es regnet? Eignet sich die Natur als Lernort? Ein Naturkindergarten wirft zwar Fragen auf, aber gleichzeitig trifft das Konzept bei vielen Eltern und ihren Kindern auf immer größeres Interesse. Noch nie gab es in Konstanz eine solche Nachfrage nach dieser speziellen Betreuungsform und Pädagogik, wie in den letzten beiden Kindergartenjahren. Dabei übersteigt die Nachfrage deutlich das vorhandene Angebot.
Bedarf in der Kindertagesbetreuung
Grundsätzlich ist der Bedarf an Plätzen in der Kindertagesbetreuung in Konstanz sehr hoch. Für alle Altersklassen sind die Platzkapazitäten in den Kindertagesstätten ausgeschöpft. Verstärkt wird diese Situation durch den starken Geburtenanstieg der vergangenen Jahre sowie unter anderem die Vorverlegung des Einschulungsstichtags in Baden-Württemberg vom 30. September auf den 30. Juni. Konstanz benötigt dringend zusätzliche Betreuungsplätze, um dieser Nachfrage nachkommen zu können.
Ein Baustein im kontinuierlichen Ausbau der Betreuungsplätze ist die Option, eine weitere Naturkindergartengruppe in Konstanz zu gründen. Bürgermeister Dr. Andreas Osner begrüßt dieses Projekt sehr: „Eine Naturkindergartengruppe stellt eine ressourcenschonende und vergleichsweise günstige Möglichkeit dar, zeitnah zusätzliche Betreuungsplätze für Kinder von drei Jahren bis zum Schuleintritt zu schaffen. In Konstanz gibt es bereits zwei Naturkindergartengruppen die vom Wurzelkinder Waldkindergarten Konstanz e.V. im Schwaketental betrieben werden. An diesen Verein sind wir mit unserer Idee herangetreten und ich freue mich, dass der Verein bereit ist diese Option Realität werden zu lassen.“ Auch der Gemeinderat trägt diese Idee mit und hat im Juli 2019 einen entsprechenden Beschluss im Jugendhilfeausschuss und im Haupt- und Finanzausschuss einstimmig angenommen.
Der Plan
Unterstützt durch das große Engagement des ehrenamtlichen Vorstands des Vereins Wurzelkinder Waldkindergarten Konstanz, wird eine Gruppe geplant, in der 20 Kinder im Alter von 3 Jahren bis zum Schuleintritt betreut werden. Die Gruppe soll eine sogenannte verlängerte Öffnungszeit von 7.30 bis 13.30 Uhr anbieten.
Ein großer Vorteil des Naturkindergartens: Für die in dieser Form geschaffenen Betreuungsplätze müssen keine Anbau- oder Neubaumaßnahmen mit den daraus resultierenden negativen Klimabeeinträchtigungen getroffen werden. Gesucht wird für die Umsetzung des naturpädagogischen Konzepts vielmehr eine naturbelassene geeignete Frei- und Nutzfläche von etwa 600 Quadratmetern. Die Fläche muss Platz für einen mobilen Naturkindergartenwagen mit einem kleinen Vorplatz bieten. Dieser dient als Rückzugsort, zum Spielen und Basteln sowie als Lager für Wechselkleidung, Bastelbedarf, Bücher und sonstige Ausrüstung. Die in dem aktuellen Konzept berücksichtigten und bestehenden Grünstrukturen und Bäume spenden über dem Spiel- und Aufenthaltsbereich zusätzlichen Schatten. Für die kleinen und großen Bedürfnisse wird ein Toilettenhäuschen in Holzbauweise mit Komposttoilette und Handwaschbecken benötigt. Größere Spielgeräte und Werkzeug sollen in einem Geräteschuppen aus Holz gelagert werden.
Die Standortsuche
Aus Gründen der vorhandenen Schutzgebiete ergab sich im Rahmen der Standortsuche ein intensiver Abstimmungsbedarf mit der Unteren Naturschutzbehörde. Neben der Verfügbarkeit ausreichender Flächen außerhalb von Schutzgebieten, wie beispielsweise Biotopen oder Mähwiesen, sollte das Gelände zwar nahe am Wald, aber dennoch außerhalb des Waldes gelegen sein. Grund hierfür ist unter anderem die Sicherheit der Kinder bei einem Sturm. Das Grundstück sollte wetterunabhängig nutzbar sein. Die Umgebung sollte zudem eine natürliche Vielfalt aufweisen, in der die Kinder immer wieder Neues entdecken und lernen können. Kurze Wege zu Waldbereichen, Lichtungen und Wiesen mit reichhaltiger und strukturreicher Pflanzen- und Tierwelt sind wichtig. Dabei sollte genügend Abstand zum bestehenden Naturkindergarten im Schwaketental, eine gute Anbindung an Fuß- und Radwege sowie das ÖPNV-Netz gewährleistet sein. Gleichzeitig sollte der Standort auch nahe an der Stadt liegen. Gute Erreichbarkeit für Eltern zum Bringen und Abholen ist essentiell, der Treffpunkt zum Bringen und Abholen der Kinder darf vom Kindergarten aber durchaus 300 bis 400 Meter entfernt liegen.
Standortvorschlag
Nach Untersuchung und rechtlicher Prüfung von 13 Standorten in und um Konstanz wurde von allen Beteiligten der Standort im Hockgraben, westlich des Fasanenwegs als einziger geeigneter Standort ermittelt. Alle Voraussetzungen sind hier am besten zu vereinbaren. Der Standort liegt jeweils zur Hälfte auf Grundeigentum der Spitalstiftung und des Landes. Beide Grundstückseigentümer haben ihre Bereitschaft zur Verpachtung zugesagt. Dabei berücksichtigt der Standortvorschlag für den Naturkindergarten die naturräumlichen Anforderungen. Die für den Kindergarten vorgesehene Fläche liegt außerhalb geschützter Flächen. Vorgesehen ist ein moderater Eingriff in den Bewuchs, um einen Bauwagen, eine Komposttoilette, einen Sandkasten sowie eine kleinere Aufenthaltsfläche zu errichten. Um zusätzlichen Verkehr im Fasanenweg auf ein Minimum zu reduzieren, würde ein Bring- und Holpunkt am Sportplatz des Sportclubs Konstanz-Wollmatingen eingerichtet, d.h. die Eltern bringen die Kinder nicht zum Bauwagen, sondern zum Sportplatz, und holen sie dort wieder ab. Diese für Naturkindergärten übliche Praxis hat sich auch im Schwaketental bewährt.
Bürgerbeteiligung
Die Ideen und ersten Planungen wurden Ende Januar im Rahmen einer ersten, gut besuchten Bürgerinformation vor Ort vorgestellt. Diskutiert wurden hierbei auch wesentliche Fragen der Bürgerinnen und Bürger: Warum ist gerade dieser Standort gewählt worden? Wie sind die vorhandenen Schutzgebiete im Konzept berücksichtigt? Welche Auswirkungen hat der Naturkindergarten auf den Autoverkehr im Fasanenweg? Sind anderweitige Einschränkungen für die Anwohner zu erwarten? Aufgrund der Rückmeldungen und der weiter fortschreitenden Konkretisierung des Projekts ist eine zweite Bürgerinformation bereits in Planung.
Die Naturkindergarten-Pädagogik
Hauptfokus des pädagogischen Konzeptes liegt beim Aufenthalt und freien Spielen draußen in der Natur. Die natürliche Umgebung dient als Spielgerät, das Kennenlernen von Pflanzen und Tieren passiert ganz nebenbei. Der tägliche Aufenthalt in der freien Natur dient der Entwicklung motorischer, kognitiver und sozialer Fähigkeiten. Spielerisch lernen die Kinder grundlegende Fähigkeiten, wie Klettern und Schnitzen. Die Kinder lernen durch die regelmäßige Bewegung im unebenen Gelände ihren Körper und seine Grenzen gut einzuschätzen und einzusetzen. An einem normalen Tag verbringen die Kinder die Zeit mit ihren Erzieherinnen und Erziehern an verschiedenen Plätzen in der Natur. So gut wie jeden Tag unternehmen die Gruppen Ausflüge zu einem der rund 30 vorher festgelegten Plätze in der Umgebung. Der Morgenkreis und der Tagesabschluss finden aber immer auf dem Grundstück des Naturkindergartens statt. Dass die Kinder den ganzen Tag auf dem Grundstück und am Bauwagen verbringen, ist eher eine Ausnahme und kommt nur in bestimmten Situationen, wie zum Beispiel bei einem starken Unwetter, vor. Denn Regen ist kein schlechtes Wetter, sondern der Anlass zum Spielen in Pfützen.
Der Naturkindergarten „Wurzelkinder“ im Schwaketental
Der Naturkindergarten „Wurzelkinder“ ist ein öffentlicher, von der Stadt Konstanz geförderter Kindergarten in Trägerschaft eines privaten Vereins. Der Konstanzer Naturkindergarten geht auf die Initiative von Lothar Damaschek und Gundula Rose zurück. 1998 wurde der Verein „Wurzelkinder – Waldkindergarten Konstanz e.V.“ gegründet. Bis heute ist dieser Verein Träger des Kindergartens. Ein Jahr später ging der Kindergarten in Betrieb. Die Mitgliedschaft der Eltern im Verein ist aus Gründen der aktiven Mitgestaltung des Kindergartens erwünscht. Bei regelmäßigen Treffen werden alle organisatorischen und strategischen Fragen des Kindergartens besprochen und beschlossen. Der Elternbeitrag beträgt für jeden angefangenen Monat 95 Euro, für jedes Folgekind 70 Euro. Insgesamt werden 40 Kinder in zwei Gruppen betreut, die jeweils über ein eigenes Grundstück mit einem Bauwagen verfügen.
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
Kommentare