Klang aus Holz erschaffen
Die Handwerkskunst einer Geigenbauerin
Konstanz. Lichterglanz, Tannenduft und festliche Geigenklänge – für viele mag dies ein schönes Weihnachtsklischee erfüllen. Nicht so für Ruth Pabel. Kein einziges Weihnachtslied hat die Geigenbauerin im Repertoire. „Das kommt vielleicht noch aus meiner Jugend“, schmunzelt die 43-Jährige, „als ich mich partout geweigert habe, unterm Christbaum ein Lied auf meiner Geige vorzutragen.“ Und so sind es ihre Kunden, die die Weihnachtsstimmung in ihr kleines Geschäft in der Konstanzer Niederburg tragen. „Jetzt in der Adventszeit kommen öfter Eltern, die eine Geige als Weihnachtsgeschenk für ihre Kinder kaufen möchten“, sagt Ruth Pabel. Genauso wie Kunden, die eine alte Geige vorbeibringen, um diese vor dem großen Fest noch herrichten zu lassen und am Weihnachtsabend dann gemeinsam mit der Familie zu musizieren.
Geduld ist gefragt
An diesem Wintermorgen liegt eine Geige aus dem Jahr 1806 auf der Werkbank. Ruth Pabel feilt an den Kerben des Stegs, um die Saiten näher ans Griffbrett zu bringen. Es ist eine feine Handarbeit, die ihre Zeit braucht. „Geduld ist eine der wichtigsten Tugenden, die man als Geigenbauerin benötigt“, sagt Ruth Pabel. Wenn sie eine Geige oder Bratsche neu baut, dauert dies bis zu sieben Wochen. Los geht es mit einem Formbrett – einer Holzschablone – die Länge, Breite und Kurven eines Streichinstruments festlegt. Hierherum baut Ruth Pabel dann einen Zargenkranz. Anschließend fertigt sie aus Ahornholz den Geigenboden, die Decke entsteht aus Fichtenholz. Dazu sägt die Geigenbauerin zunächst die Umrisse aus und bearbeitet das Holz dann mit dem Hohlbeitel. Ist die grobe Form erst einmal gewonnen, werden die Holzstücke gehobelt und mit einer Ziehklinge bearbeitet. Dann fertigt Ruth Pabel noch Hals und Schnecke der Geige an. Damit das Holz eine dunklere Färbung erhält, kommt es nun für ein paar Tage in die UV-Box und wird danach mit verschiedenen Chemikalien wie Kaliumnitrit oder Ammoniak behandelt, bevor die Geige schließlich lackiert wird.
„Am Schluss mache ich die Geige spielfertig“, sagt die Geigenbauerin. Damit meint sie die Wirbel an der Schnecke, das Griffbrett, Stimmstock, Steg und Saiten. Diese wurden früher aus Schafsdarm gefertigt, heute bestehen sie meist aus einem Kunststoffkern mit Metallumwicklung.
Erfüllender Moment
Nach wochenlanger Arbeit an einem Instrument spielt Ruth Pabel ihre Geige dann ein erstes Mal an. Dies ist immer ein besonderer Moment: „Wenn man so lange an etwas arbeitet, ist es einfach erfüllend, das Ergebnis in Händen zu halten – und endlich den Klang zu hören.“ Entsprechend hoch ist auch der Preis für die selbstgebauten Geigen: Ein Instrument kostet um die 12.000 Euro. Besonders stolz ist Ruth Pabel auf ihre Geigen mit individuellen Designs, wie schlichteren Ecken oder besonderen Verzierungen im Zargenkranz.
Dass die gebürtige Fränkin einmal Geigenbauerin wird, hatte sie nicht geplant. Ihr Wunsch war es, Landschaftsarchitektin zu werden. Doch während des Studiums spürte sie immer deutlicher, dass ein Job am Schreibtisch nichts für sie ist. Und so fragte sie gegen Ende ihres Studiums einen Geigenbauer, ob sie bei ihm ein Praktikum machen dürfe. Nach einer Woche in der Werkstatt war für sie klar: „Dieser Beruf passt gut zu mir und macht Spaß.“ Ruth Pabel schrieb ihre Diplomarbeit fertig, schloss ihr Studium ab und begann genau eine Woche später ihre Ausbildung zur Geigenbauerin. „Ich muss dazu sagen, mein Opa war Schreiner und als Kind war ich oft in seiner Werkstatt“, erzählt sie. „Damals habe ich eine Faszination für Holz und Handwerk entwickelt.“
Ausbildung zur Geigenbauerin
Zum Geigenbauer kann man sich in Deutschland an zwei Berufsfachschulen ausbilden lassen: Im bayerischen Mittenwald und in Klingenthal in Sachsen. Weil es nur wenige Geigenbauer in Deutschland gibt, findet die Ausbildung fast ausschließlich in den Berufsschulen und deren Werkstätten statt. Ruth Pabel hat ihre Ausbildung in Klingenthal abgeschlossen. Danach arbeitete sie zunächst in einer Geigenbauwerkstatt in Düsseldorf und anschließend bei einer Geigenbauerin in Konstanz. Als diese nach München zog, kam der Gedanke an eine eigene Werkstatt auf. Lange haderte sie damit: „Ich hatte gehörigen Respekt vor der Selbständigkeit.“ Doch dann entdeckte sie in der Zeitung ein Ladengeschäft in der Niederburg, das zur Vermietung ausgeschrieben war. „Da wusste ich, das kann was werden“, sagt Ruth Pabel. Und so wagte sie den Schritt in die Selbständigkeit, besuchte das Existenzgründerseminar der Handwerkskammer und ließ sich vom Unternehmensservice zu Businessplan und Finanzierung beraten. 2015 öffnete sie erstmals die Ladentüre zu ihrem eigenen Geschäft in der Konradigasse.
Kundschaft ist bunt gemischt
Von außen geben große Schaufenster den Blick frei auf vielerlei schön arrangierte Instrumente. „Ich führe Geigen, Bratschen und Celli“, so Pabel. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Vermietung und Reparatur der Instrumente. Seltener baut sie Streichinstrumente neu oder restauriert alte Modelle. Ihre Kunden kommen zumeist aus der Umgebung. „Zu mir kommen viele Hobbymusiker, aber auch Geigenlehrerinnen, Musikschulen und Streicher aus der Philharmonie.“
Hin und wieder bringen Kunden auch sehr billige, industriell gefertigte Geigen in ihr Geschäft. „Diese Modelle sind leider nicht auf Reparaturen ausgelegt“, sagt Pabel. Sie seien so verleimt, dass sie sich kaum öffnen ließen, ohne kaputt zu gehen. Auch Klang, Spielbarkeit und Haltbarkeit reichten nicht an handgebaute Modelle heran. „Daher mache ich mir keine Sorgen um die Zukunft des Geigenbauer-Berufs“, sagt sie, „denn wer ein ordentliches Instrument möchte, der wird immer zur Geigenbauerin gehen.“
Im nächsten Jahr steht für die Geigenbauerin ein Jubiläum an: Vor zehn Jahren hat sie ihr Geschäft eröffnet. Wie sie das feiert, weiß sie noch nicht genau. Aber ein Vorhaben für 2025 hat sie schon: „Ich möchte Kurse anbieten für Geigenschülerinnen und -schüler, in denen ich ihnen etwas über den Bau und die Funktion der Geige erzähle und den Umgang mit ihr.“ Interessenten dürfen sich gerne bei Ruth Pabel melden: info@geigenbau-pabel.de.
Quelle: Handwerkskammer Konstanz, Jana Seifried
Autor:Presseinfo aus Singen |
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