Verhandlung wegen Mühlinger Tötungsdeliktes hat begonnen/Angeklagter gesteht Totschlag
Das tödliche Ende einer Stressbeziehung

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Konstanz/Stockach/Mühlingen. Es waren Szenen einer schwierigen Beziehung, die der Angeklagte während seiner umfassenden Aussage zeichnete. Einer Beziehung, geprägt von Misstrauen, Eifersucht, Gewalt und heftigen Szenen. Einer Beziehung, die damit endete, dass der 42-jährige Mann aus dem Raum Stockach seine 26-jährige Freundin am Freitag, 24. Februar, einen Tag nach dem »Schmotzigen Dunschdig«, in seinem Haus in Mühlingen umgebracht haben soll. Das gab der ehemalige Zeitsoldat, gelernte Friseur und selbstständige Geschäftsmann während des ersten Verhandlungstages vor dem Landgericht in Konstanz auf Befragen des zuständigen Richters ohne Umschweife zu. An den genauen Hergang des Tötungsvorgangs könne er sich aber nur unvollkommen erinnern, so der Angeklagte, der ansonsten detailliert über Kennenlernen, Beziehungsverlauf und Vorgeschichte Auskunft gab. Staatsanwalt Ulrich Gerlach hatte zuvor in seiner Anklageschrift erklärt, der Beschuldigte habe die junge Frau in den Schwitzkasten genommen, ihr ein Kissen auf das Gesicht gedrückt und beim Fühlen ihres Pulses ihren Tod festgestellt. Die Anklage lautete auf Totschlag.

Begonnen hatte alles, wie viele Beziehungen beginnen: Kennenlernen in einer Stuttgarter Discothek im Oktober 2016, gegenseitige Sympathie, gegenseitige Besuche, dann zu Weihnachten der Umzug der 26-Jährigen von ihrem Wohnort bei Göppingen nach Mühlingen. Erste Spannungen kamen nach Darstellung des Beschuldigten zu Silvester auf. Der in ein blaues Hemd, Jeans und Turnschuhe gekleidete und mit einer Fußfessel gefesselte Mann schilderte flüssig, manchmal sehr leise, die folgenden Szenen aus seiner Sicht: extreme Eifersuchtsattacken, Kontrollen seines Handys, Verdächtigungen und Vorwürfe von Seiten der jungen Frau. Er habe sich sogar angewöhnt, jeden Kassenzettel zu fotografieren, um belegen zu können, wo er sich aufgehalten habe, um der Eifersucht keine neue Nahrung zu geben. Für zusätzliche Spannungen sorgte das Nicht-Zustandekommen der Finanzierung einer sehnlichst gewünschten Brustvergrößerung, die seine Lebensgefährtin ihm ebenfalls zur Last gelegt habe. Weiteren Zündstoff gab es, weil die junge Frau bei einem »Escort-Service« gearbeitet haben soll und sich in psychologischer Behandlung befand, um einen Gefängnisaufenthalt zu vermeiden. Ihm habe sie zunächst etwas von einer Herz-OP erzählt, so der Angeklagte. Sie hätte den Gedanken nicht ertragen können, dass sie in der Justizvollzugsanstalt und er draußen sei.

Die problematische Beziehung gipfelte nach Darstellung des Beschuldigten am Tag nach dem »Schmotzigen Dunschdig«, also am Freitag, 24. Februar, in eine weitere heftige Szene: Drei, vier Stunden habe die Auseinandersetzung gedauert, in deren Verlauf seine eifersüchtige Partnerin ihm Untreue vorgeworfen und auch zu einem Brotmesser gegriffen habe. Durch Zureden habe sie das Messer wieder weggelegt. Es sei aber von Seiten der jungen Frau zu Handgreiflichkeiten gegen ihn gekommen. Verschlimmert wurde die Situation, seiner Darstellung nach, dadurch, dass sich sein sechsjähriger Sohn mit im Haus befand. Irgendwann habe er das Geschrei nicht mehr ertragen können, er habe nur noch Ruhe haben wollen. Wohl mit der linken Hand habe er die Frau in den Schwitzkasten genommen und sei mit ihr auf das Bett gefallen. Später habe er den Puls fühlen wollen, keinen Pulsschlag mehr gespürt und so den Tod festgestellt. Wiederbelebungsmaßnahmen oder das Rufen eines Notdienstes unterblieben. Er verstehe sich selbst nicht, meinte der Angeklagte in der Verhandlung: Es vergehe kein Tag, an dem er nicht an die Tat denke und er schlafe keine Nacht mehr durch.

Das weitere Vorgehen nach dem Tötungsdelikt erfolgte nach Schilderung des 42-jährigen, geschiedenen Vaters zweier Kinder wohl wie in einer Art Trance oder Schockzustand. Dieses Bild zeichnete jedenfalls der Beklagte von sich selbst: Zunächst habe er seinen sechsjährigen Sohn zu seiner Mutter nach Stockach gebracht. Dann habe er einen Bekannten angerufen, habe ihn um Hilfe gebeten und sei dann bei ihm vorbeigefahren. Wie dieser Bekannte in einer späteren Aussage erklärte, hatte der Beschuldigte ihm dabei gestanden: »Ich habe sie platt gemacht.« Als der Bekannte schockiert reagierte, sei er, so der Angeklagte, zurück nach Mühlingen gefahren, habe die tote Frau in ein Bettlaken gewickelt und in sein Auto verbracht. Dann sei er - zufällig und ohne vorherige Überlegungen - zu einem Waldstück bei Litzelstetten gefahren und habe die Tote dort hingelegt. Laut Staatsanwaltschaft wurde die Leiche in eine Mulde gelegt und mit Pflanzenmaterial bedeckt.

Das Auto habe er dann, so erklärte der Angeklagte weiter, in dem Waldstück bei Litzelstetten stehen lassen. Er sei zu Fuß nach Konstanz gegangen und von dort mit dem Taxi nach Stockach gefahren, wo er auf ein anderes, in seinem Besitz befindliches Fahrzeug umgestiegen sei. Ohne dies vernünftig erklären zu können, sei er nach Stuttgart-Vaihingen gefahren - zum Chef des »Escort-Services«, für den seine Partnerin wohl gearbeitet habe. Vor Ort sei alles dunkel gewesen, daher sei er in Richtung Göppingen, in die Nähe des Wohnorts der Toten, gefahren. Auf dem Rastplatz hinter Göppingen bei Gruibingen an der A8 habe er angehalten, weil er etwas trinken und auf die Toilette gehen wollte. Dort sei er verhaftet worden

Von Seiten der Rechtsanwälte der drei Nebenkläger und vom Staatsanwalt musste sich der Angeklagte Fragen gefallen lassen, die darauf abzielten, warum er bei dem stundenlangen Streit nicht einfach mit seinem sechsjährigen Sohn gegangen wäre. Warum er sich nicht stärker mit den wohl psychischen Problemen der jungen Frau auseinandergesetzt habe. Warum er ihrem Verhalten nicht deutlich einen Riegel vorgeschoben habe. Und ob es von seiner Seite zu Gewalt oder Untreue gekommen sei, was der Beschuldigte verneinte. Peter Messmer, der Rechtsanwalt und Pflichtverteidiger des Beschuldigten, brachte den Begriff der »Hörigkeit« seines Mandanten ein und meinte, dass der Beklagte wohl bis über beide Ohren in die Ermordete verliebt gewesen sei.

Auch zu seiner beruflichen Situation wurde der 42-Jährige befragt: Sein Geschäft habe aus verschiedenen Gründen nicht weitergeführt werden können, das Haus in Mühlingen sei verkauft worden, und er habe bis zu 50.000 Euro Schulden. In der Haft sei es »nicht so prickelnd«, und er habe zunächst in der Küche gearbeitet und sei nun in der Wäscherei tätig. Zur beruflichen Zukunft des Angeklagten meinte der Richter, dass der Beschuldigte so schnell nicht wieder zurückkommen werde

Die Verhandlung wird am morgigen Donnerstag, 10. August, um 9 Uhr fortgeführt. Es sind noch zwei weitere Verhandlungstage am Dienstag, 15., und am Mittwoch, 16. August, angesetzt.

- Simone Weiß

Autor:

Redaktion aus Singen

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