Neues Mobilitätskonzept in Sondersitzung vorgestellt
Auf dem Weg zur autofreien Innenstadt
Konstanz. Die Konstanzer Innenstadt soll weitgehend autofrei werden. Die Stadtverwaltung hat eine Mobilitätsstrategie entwickelt, wie der motorisierte Verkehr von außen und gleichzeitig Lärm, Abgase und Staus aus der Innenstadt rausgehalten werden können. Im Zuge dessen kann die Stadt noch attraktiver und sicherer gestaltet werden. Das Konzept wurde am Mittwoch im Bodenseeforum präsentiert.
Das Gesamtpaket enthält mehrere Maßnahmen. Im Zusammenspiel sollen sie dazu führen, dass Konstanz sich nachhaltig weiterentwickelt. In der linksrheinischen Kernstadt soll der öffentliche Raum so entwickelt werden, dass er mit einer Steigerung der Aufenthaltsqualität einhergeht. Das bedeutet einerseits, dass das Stadtzentrum weiterhin für alle Bevölkerungsgruppen mit allen Verkehrsmitteln gut erreichbar bleiben soll. Die linkrheinischen Stadtteile Altstadt und Paradies sollen hingegen weitgehend autofrei gestaltet werden, indem der nicht notwendige Fremdverkehr von außen weitgehend herausgenommen wird.
Masterplan Mobilität als Grundlage
Grundlage der Planungen bildet der Masterplan Mobilität Konstanz 2020+. In diesem Leitfaden ist als Ziel ausgegeben, die Wege, die mit dem Auto zurückgelegt werden, zu verändern und gleichzeitig die Erreichbarkeit der Innenstadt für alle Verkehrsarten zu gewährleisten. Erreicht werden soll dieses Vorhaben in erster Linie durch drei Maßnahmen: durch Vermeidung und Verlagerung des Verkehrs sowie durch technische und organisatorische Verbesserungen. Durch sogenannte „Push- und Pull-Maßnahmen“ soll Verkehr vermieden, verlagert und das Aufkommen insgesamt reduziert werden.
Der motorisierte Verkehr ist bei diesem Modell zwar weithin erlaubt (freie Verkehrsmittelwahl), doch insbesondere in den Innenstädten soll der motorisierte Verkehr reduziert werden (Push-Maßnahmen im Sinne von „Wegschieben“ von Autoverkehr); im Gegenzug sollen nachhaltige Verkehrsmittel einschließlich P+R-Möglichkeiten attraktiver gestaltet werden (Pull-Maßnahmen im Sinne von „Heranziehen“ von Verkehr zu Fuß, mit dem Fahrrad und öffentlichen Verkehrsmitteln). Notwendiger motorisierter Individualverkehr (MIV), der aber nicht zwingend durch oder in das linksrheinische Gebiet fahren muss, soll durch Straßen fahren, in denen der Verkehrslärm und die Abgase in geringerem Ausmaß stören als in der linksrheinischen Innenstadt.
Stärkung des öffentlichen Raumes
Ziel der Weiterentwicklung ist die hohe Qualität der Innenstadt als Aufenthaltsort zu erhalten und ihre gute Erreichbarkeit zu gewährleisten. In den vergangenen Jahren hat sich Konstanz insbesondere rechtsrheinisch entwickelt, indem zentrale Quartiere in seenahen Gebieten geschaffen wurden. Rechtsrheinisch hat Konstanz somit den Weg zurück ans Wasser gefunden – die Uferseiten mit den verbindenden Brücken sind zu beliebten und attraktiven innerstädtischen Stadträumen zusammengewachsen. Nun gilt es diese Entwicklung sensibel auf den Stadtraum abzustimmen.
Die Stärkung des öffentlichen Raumes gepaart mit der guten Erreichbarkeit der Innenstadt war auch Leitgedanke bei der Entwicklung des C-Konzepts: Mit der Herausnahme des motorisierten Individualverkehrs (MIV) am Bahnhofplatz soll dort die Aufenthaltsqualität erhöht werden. Grundsätzlich kann dies auch für die Konzilstraße weiterentwickelt werden, um die Verbindung zwischen Stadt und See weiter zu verbessern.
Damit die linksrheinische Innenstadt in ihrer Funktion und Qualität gleichermaßen gestärkt werden kann, werden rechtsrheinisch Entlastungsstandorte für den motorisierten Individualverkehr benötigt. Doch öffentlicher Raum ist knapp und kostbar. Nicht nur der Stephansplatz soll umgebaut und vom Verkehr befreit werden. Im öffentlichen Straßenraum sollen grundsätzlich keine Kfz-Abstellflächen geschaffen werden. Weiterhin ist ein effektives Parkraummanagement geplant und die Modifizierung des bestehenden Parkgebührensystem wird überprüft und gegebenenfalls angepasst.
Angebote und Lösungsansätze für eine nachhaltige Mobilität im Stadtgebiet, wo der Raum knapp und die Nachfrage nach Stellplätzen hoch ist, sind vorhanden. Aktuelle Trendprognosen gehen davon aus, dass der Corona- Lockdown dazu beiträgt, dass bereits begonnene Entwicklungen einer nachhaltigeren Stadt- und Verkehrsentwicklung sich beschleunigen werden.
Geplante Großprojekte bereits in der Umsetzungsphase
Mit den bereits in Planung und Umsetzung befindenden Großprojekten ist die Stadt Konstanz bereits auf dem Weg zur autofreien Innenstadt. Jetzt soll der Autoverkehr auch durch sichtbare Verkehrslenkung gezielt geführt sowie Parkierung an zentralen Mobilitätspunkten außerhalb des Altstadtrings gebündelt und vernetzt werden. Mit dem Brückenquartier wird rechtsrheinisch der zentrale Baustein auf den Weg gebracht. Hier wird ein großer Mobilitätshub realisiert, der P&R mit über 800 Stellplätzen außerhalb der Altstadt, aber doch nah genug zur Innenstadt ermöglicht, mit einem dicht getakteten Busnetz verknüpft, ergänzt um den Wasserbus, der bereits heute im Probebetrieb fährt. Bikesharing, Carsharing und ein Fernbusbahnhof ergänzen den Standort genauso wie Dienstleistungen, die mit integriert werden.
Am Standort Döbele kann Verkehr zudem auch linksrheinisch zentral abgefangen werden. Der öffentliche Raum soll durch den Abbau oberirdischer Stellplätze weiter qualifiziert und die Aufenthaltsqualität gestärkt werden. Dem dient auch das beschlossene C-Konzept mit der Sperrung des Bahnhofplatzes für den MIV; die Planung ist inzwischen abgestimmt, die Umsetzung läuft.
Vier Bausteine für eine autofreie Innenstadt
Die Mobilitätsstrategie für die Innenstadt fußt auf vier Säulen: einer ÖPNV- Offensive, mehr P+R-Plätze, dem Aufbau eines digitalen Verkehrsmanagements und bessere Abwicklung des Grenzverkehrs.
1. ÖPNV-Offensive: Vor allem der Stadtbusverkehr soll ausgebaut werden. Wie aus der Erhebung „Mobilität in Städten 2018“ hervorgeht, ist der ÖV-Anteil an allen umweltfreundlichen Verkehrsmitteln („Modal Split“) mit einem Wert von elf Prozent seit 2007 gleichbleibend. Damit ist das im Masterplan Mobilität 2020+ ausgegebene Ziel der Steigerung des ÖV-Anteils im Binnenverkehr auf 15 Prozent noch nicht erreicht. Steigerungspotenzial versprechen hier ein erweitertes Angebot des Stadtbusverkehrs sowie geeignete Maßnahmen des Mobilitätsmanagements. Für Gäste aus der Schweiz soll eine grenzüberschreitende Agglo-S-Bahn eingerichtet werden. Eine entsprechende Machbarkeitsstudie ist abgeschlossen. Als nächster Schritt soll eine Kosten-Nutzen-Analyse erstellt werden.
2. Verbesserung von P+R-Möglichkeiten für Gäste der Stadt bei gleichzeitiger Erhöhung der Parkgebühren in der Innenstadt: Ein nachhaltiges Verkehrssystem, sprich die Verlagerung der Mobilität vom Motorverkehr hin zu umweltfreundlichen Verkehrsmitteln (Umweltverbund), funktioniert nur dann, wenn alle Säulen parallel ausgebaut und aufeinander abgestimmt werden.
3. Digitales Verkehrsmanagement zur Stau-Verhinderung/Verkehrslenkung: Bei starkem Verkehrsaufkommen, insbesondere an Hochlasttagen, wird der Verkehrsfluss digital gelenkt, indem der motorisierte Verkehr über große Anzeigentafeln über die aktuellen Verkehrssituation informiert wird.
4. Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Grenzübergänge: Ein Bündel an Maßnahmen trägt zum besseren Verkehrsfluss an den Grenzübergängen bei. Seit 2018 werden die Ausfuhrkassenzettel an der Zoll-Außenstelle am Brückenkopf Nord abgefertigt. Dadurch hat sich der Kfz-Andrang auf die Stellplätze der Grenzübergänge reduziert. Vor Weihnachten 2019 hat das Schweizer Bundesamt für Straßen auf Bitte der Stadt Konstanz die verkehrliche Leistungsfähigkeit der Gemeinschaftszollanlage verbessert, indem der dortige Besucherparkplatz von zwölf auf 36 Stellplätze erweitert wurde. So ist es an den Hochlasttagen in der Advents- und Weihnachtszeit 2019 zu keinen erheblichen Staus im Ausreiseverkehr in die Schweiz gekommen. Die Stempelung von Ausfuhr-Kassenbelegen am Emmishofer Zoll wurde eingestellt. Mithilfe einer App werden die Belege per Handy erfasst.
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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