Nach plötzlichem Wintereinbruch im Dezember
Förster Hornstein berichtet von Schneechaos und uneinsichtigen Autofahrern
Aach. Wetterereignisse wie starke Schneefälle können dazu führen, dass Bäume abknicken, umbrechen oder unter den enormen Schneelasten zu brechen drohen. Anfang Dezember war dies bei Aach der Fall. Werner Hornstein, Forstrevierleiter im Revier Hegau, berichtet, wie er die Tage erlebt hat, welche Arbeiten organisiert und erledigt werden mussten und welche Rolle unvorsichtige Autofahrer einnahmen.
Samstag, 2. Dezember 2023
8.12 Uhr: Ich sitze zu Hause am Fenster und freue mich auf den traditionellen Aacher Klosemarkt bei romantischem Winterwetter. Ein Anruf der Aacher Feuerwehr geht ein, mit der Bitte um sachverständigen Rat zu umbrechenden Bäumen.
8.22 Uhr: Ich stehe an der L194 am Ortsausgang Aach nach Eigeltingen. Die Feuerwehr sägt gerade eine riesige Buche in kleine Stücke und befreit die Straße vom tonnenschweren Baumstamm. Überall im Wald hört man Äste und ganze Bäume unter der Schneelast brechen. In 200 Metern Entfernung bricht eine dicke Eiche über Leitplanke und Straße. Die Feuerwehrleute arbeiten mitten im gefährlichen Bruchbereich. Laufend gibt es weitere Schneebrüche. Schnell ist klar: Damit niemand von umstürzenden Bäumen oder herabfallenden Ästen verletzt wird, muss die Straße gesperrt werden.
8.40 Uhr: In Absprache mit Feuerwehr und Polizei wird der komplette Straßenabschnitt voll gesperrt. Vorerst wurde deshalb die Straße mit zwei Polizeiautos an den Ortsausgängen Aach und Eigeltingen blockiert.
8.56 Uhr: Die Straßenmeisterei Welschingen bringt jeweils eine Sperrbake mit Beleuchtung und Durchfahrtverboten an den Ortsausgängen Aach und Eigeltingen an. Jedoch ignorieren fast alle Autofahrenden die Sperrung und fahren daran vorbei – trotz akuter Lebensgefahr. Wo Bäume auf der Straße liegen, fahren sie auch über Feldwege, Äcker oder den Radweg.
9.40 Uhr: Ein Forstunternehmer, der im Wald zwischen Aach und Eigeltingen seine Rückemaschine stehen hat, trifft im Wald ein. Dieser sogenannte Forwarder hat acht Räder, einen sehr starken Kran mit Greifzange und einen großen Rungenkorb. Ich bin der Sicherheitsposten auf der Straße, während der Rückezug mit seinem zehn Meter langen Kranarm Baumkronen von der Straße räumt und die äußerst labilen, einseitig bekronten Bäume am Straßenrand abklopft, um die Schneelast zu reduzieren. Der Schnee kommt teilweise runter, die Bäume brechen jedoch munter weiter über die Straße. Immer wieder fahren Autos in den Sperrbereich und behindern auch die Forstmaschine, die mitten auf der Straße arbeitet. Innerhalb von knapp zwei Stunden verwarne ich deshalb 45 Autofahrer mit Hinweis auf Bußgeld.
12.25 Uhr: Wir haben versucht, die L194 offenzuhalten, jedoch ohne Erfolg.
13.45 Uhr: In Absprache mit Polizei und Straßenmeisterei werden massive Absperrungen mit festen Warnbaken aufgestellt. Allerdings genügen auch diese immer noch nicht aus, um uneinsichtige Autofahrer aufzuhalten.
15.02 Uhr: Wir fragen weiteres Sperrmaterial an und bauen es quer über die Verkehrsinsel am Ortseingang auf. Auch diese Zusatzsperrung wird trotz sehr hoher Randsteine links und rechts umfahren.
16.30 Uhr: Ein Schwerlast-Abschlepp-LKW, an den ein überlanger Linienbus angehängt ist, will Richtung Stockach passieren, kann am Aachquellparkplatz jedoch nicht wenden und blockiert schließlich den gesamten Wendebereich. Die Fahrgäste versuchen, zu Fuß nach Eigeltingen zu gelangen. Die meisten kommen innerhalb kurzer Zeit wieder zurück. Chaos an der Aachquelle!
17.56 Uhr: Durchgefroren und ziemlich angekratzt mache ich Feierabend. So was wie heute habe ich noch nie erlebt.
19.50 Uhr: Kontrolle der Sperreinrichtungen
20.05 Uhr: Es wird ein professioneller Forstunternehmer organisiert, um die umgestürzten und stark hängenden Bäume ab Montag zu beseitigen.
Sonntag, 3. Dezember 2023
7.38 Uhr: Kontrolle der geöffneten Sperreinrichtung. Einige Autofahrer haben diese nachts weggestellt, sind bis zum ersten umgestürzten Baum gefahren, und haben dann wieder umgedreht. Die Sperreinrichtung wird wieder aufgestellt.
21.15 Uhr: Kontrolle und wiederholte Schließung der Sperreinrichtungen.
Montag, 4. Dezember 2023
7.50 Uhr: Die Mitarbeiter der Holzerntefirma beginnen mit Radbagger und Holzgreifer mit den Aufräumarbeiten. Stück um Stück werden die dicken Buchen abgestockt, aufgearbeitet und am Waldweg abgelegt. Auch umgeknickte Büsche werden abgesägt und alles Geäst und Gesträuch mit dem Bagger oberhalb der Straßenböschung im Wald abgelegt. Ziel ist es, unter Vollsperrung einen komplett verkehrssicheren Zustand wiederherzustellen und eine saubere Fahrbahn zu hinterlassen.
8.44 Uhr: Ich bekomme einen Anruf der Firma: „Autos fahren bis in den Arbeitsbereich. Was sollen wir tun? So geht's nicht!“. Wir beschließen, dass eine Baumlänge vor und hinter dem aktuellen Aufarbeitungsbereich ein Stamm quer über die Straße gelegt werden muss. Zusätzlich stellen wir noch ein weiteres Warnschild auf.
13.38 Uhr: Die Holzernte-Firma ruft mich erneut an: „Die Arbeiten gehen gut voran, allerdings ist gerade eben fast ein Unfall passiert. Jemand ist mit vollem Tempo über die verschneite Wiese gefahren und wäre beinahe mit dem Kranarm vom Bagger zusammengestoßen! Es ist wirklich zum Mäusemelken!“
Dienstag, 5. Dezember 2023
11.25 Uhr: Alle Bäume auf Aacher Gemarkung sind aufgeräumt. Mit der Straßenmeisterei wird ein Abnahmetermin um 16 Uhr vereinbart. Mit dabei sind die Leitung des Kreisforstamtes und ein Vertreter der Gemeinde Eigeltingen. Die Aufarbeitung mit Bagger sei hervorragend gelaufen. Allerdings sind kurz vor Ortseingang Eigeltingen noch mehrere bruchgefährliche Bäume, die schräg über die Straße hängen. Fazit: Die Straße bleibt gesperrt.
Mittwoch, 6. Dezember 2023
Am Vormittag werden die restlichen Bäume beseitigt, nachmittags erfolgt die endgültige Freigabe durch die Straßenmeisterei. Ein Schneepflug mit Salzstreuer macht die Straße schnee- und eisfrei.
16.22 Uhr: Alle Sperreinrichtungen sind abgebaut und die L194 ist für den Verkehr wieder ungehindert nutzbar.
Auch rückblickend können wir sagen, dass alle Beteiligten in dieser kritischen Situation besonnen gehandelt und hervorragend zusammengearbeitet haben – die Straße wurde rechtzeitig gesperrt und mit optimaler Technik aufgearbeitet. Dabei wurden rund 50 extrem große Buchen, fast 400 Kiefern sowie andere Randbäume gefällt und beseitigt.
Zu Verzögerungen bei den Aufräumarbeiten ist es lediglich durch Autofahrende gekommen, die die Straßensperrungen ignoriert oder verschoben haben. Damit haben sie nicht nur die Arbeiten behindert, sondern vor allem auch sich selbst in Lebensgefahr gebracht.
Werner Hornstein, Forstrevierleiter im Revier Hegau
Quelle: Landratsamt Konstanz
Autor:Presseinfo aus Singen |
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