Kein Funke - David Garret in Aach
Die Sterilität der Distanz

Foto: Wenn die Maske fällt, bleibt wenig, was begeistern kann: David Garrett, Super-Star, Edel-Geiger und TV-Liebling, vermochte nicht mitzureißen. swb-Bild: Weiß
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Aach (sw). Der Spaß verfliegt schnell. Was im Fernsehen so lässig-sympathisch wirkt, ist live nur pure Eitelkeit. Der legere Jeans-Charme, die rockige Moderne gepaart mit der klassischen Tradition, die scheinbare Symbiose von Können und Ausstrahlung verpufft in der Wirklichkeit zu einer perfekt inszenierten Seifenblase. Natürlich sieht David Garrett fantastisch aus, wie er da auf der Open-Air-Bühne in Aach steht. Natürlich ist er ein hervorragender Musiker. Und natürlich beherrscht er seine Geige wie andere ihre Zahnbürste. Aber hinter der bis ins letzte Detail ausgefeilten Performance, der ausgeklügelt-gekonnt choreographierten Bühnenshow, der hervorragend integrierten Darbietungen auf Großleinwand fehlt Wärme, Nähe, Bühnenpräsenz, Charisma. Fehlt der Kontakt zum Publikum. Der Funke, der überspringt. Die Gänsehaut, die bei Preisen von bis zu 140 Euro pro Platz ein absolutes »Muss« ist.

Seine Gags, seine Anekdoten, seine Geschichtchen am Rande und vor den meisten Nummern sind wohl unterhaltend amüsant. Als er erzählt, dass Kinder kein Autogramm von ihm wollten, sondern von Showmaster Günther Jauch, der vor ihm in der Reihe stand. Dass eine ältere Dame, die ihn interviewen wollte, während eines Konzerts ausgerechnet vor die Lautsprecherbox mit ihren harten Beats gesetzt wurde. Dass er in der Helene-Fischer-Show die Noten zum „Ave Maria“ auf den Boden legte, sie aber wegen Shownebels nicht lesen konnte. Das ist nett. Das ist lustig. Das wirkt aber kalkuliert, pseudo-bescheiden, einstudiert. Und alle Geschichten handeln doch nur von einem – von ihm selbst.

Als der 31-jährige, bei Aachen geborene Stargeiger eine Zuschauerin aus dem Publikum auf die Bühne holt, ist sie nur dazu da, anbetend dazusitzen und ihm und seiner Zauberfidel zu lauschen. Nicht mal ein Küsschen bekommt sie danach. Und als David Garrett durch die Ränge der Stuhlreihen schreitet, bewahrt er kühle Distanz. Beim zweiten Auftritt in der zurückgehaltenen Menge versteckt er sich hinter einem Gold durch wirkten Cape. Und Pressefotos sind nur aus einer unüberbrückbaren Distanz erlaubt – mit Aufnahmen, die ihn nur in Briefmarkengröße erkennen lassen.

Das Feuer fehlt. Nichts brennt. Bei allem Glanz ist die Show glanzlos-kühl. Dabei fährt er auf, was nur aufgefahren werden kann: temperamentvolle Tänzerinnen beim Stück aus Bizets Oper »Carmen«, eine verträumte Ballerina bei Musik aus »Schwanensee«, ein großleinwandverträgliches Gewitter bei »Thunderstruck« von AC/DC. Gigantomanie und Großmannsgetue, die jede Interaktion zwischen Star und Publikum untergräbt und Gräben auftut. Was bleibt, ist ein begabter Musiker, ein nettes Aussehen, ein riesiger Aufwand. Was bleibt ist aber auch unnahbare Sterilität.

- Simone Weiß

Autor:

Redaktion aus Singen

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